Längst ist der Schulranzen keine einfache Büchertasche mehr. Die großen Marken bieten ganze Sets und Systeme, bestehend aus Ranzen, Turnbeuteln, Federmappen, Zubehör für schlechtes Wetter, Flaschen, Brotdosen, Schultüten und selbstverständlich sammel- und tauschbare Bildchen und Motivsticker, je nach Hersteller mit Magnet oder Klett versehen, um den Ranzen zu verschönern.
Preislich liegt ein solches Set je nach Marke zwischen 200 und 400 Euro, für Familien nicht immer einfach aufzubringen und eine große Auswahl oder Alternative gibt es auch nicht.
Ranzen sind fast leer
Ohne Schulranzen, stattdessen mit einem leichten Rucksack, sollen die Schülerinnen und Schüler der Grundschule am Buntentorsteinweg morgens kommen.
Diese überraschende Botschaft erhielten die Eltern der angehenden Erstklässler im Rahmen eines Infoabends im Mai. Dort wurde ihnen mitgeteilt, ein Schulranzen sei ganz und gar überflüssig.
„Wir weisen die Eltern schon seit einigen Jahren darauf hin. Letztendlich ist der Schulranzen so gut wie leer. Die Kinder tragen in der Regel eine Brotdose, eine Trinkflasche und eine Postmappe mit sich“, sagt Schulleiterin Monika Triba.
Zu große Taschen
Schon länger beobachten sie und ihre Kolleginnen und Kollegen, dass die Schulranzen immer größer werden. „Wir haben vor einigen Jahren neue Fächer für die Ranzen anfertigen lassen.
Die heutigen Modelle passen da schon nicht mehr rein“, sagt Triba. Hinzu komme dann noch, dass sie auch immer teurer würden.
Keine Hausaufgaben am Nachmittag
Die Grundschule am Buntentorsteinweg ist eine gebundene Ganztagsschule. Die Kinder müssen nach dem Unterricht keine Hausaufgaben mehr erledigen.
„Das Material bleibt in der Schule, sogar die Federmappe können die Kinder dort lassen“, sagt Triba. In diesem Jahr beobachte sie zum ersten Mal, dass tatsächlich mehr Kinder statt eines klassischen Schulranzens einen Rucksack dabei haben.
„Wir versuchen, die Eltern vor der Einschulung davon zu überzeugen, einen Rucksack zu kaufen. Die Ranzen sind an sich schon schwer, eine leichte Tasche bietet für die Kinder nur Vorteile“, sagt die Schulleiterin.
So wird es auch an der Helene-Kaisen-Grundschule kommuniziert, wie Schulleiterin Claudia von Zmuda bestätigt.
Auch an Halbtagsschulen kaum volle Ranzen
Im Gegensatz zu Buntentorsteinweg und Helene-Kaisen endet der Unterricht an der Grundschule an der Kantstraße bereits um 13 Uhr, im Anschluss gehen die meisten Kinder in den Hort um dort zu essen und die Hausaufgaben zu erledigen.
„Die Kinder müssen aber nur das mitnehmen, was sie für die Hausaufgaben brauchen, der Rest kann in der Schule bleiben. Und schwere Bücher tragen sie auch nicht mit sich“, sagt Schulleiterin Isabell Bergmann.
Künftig wolle man sich des Themas Schulranzen auch annehmen, denn auch die Kinder hier tragen häufig nur wenige Dinge mit sich, wie Bergmann sagt.
Statussymbol und Prestige
Trotz aller Vorteile, die Eltern und Kinder durch den Verzicht auf einen neuen Schulranzen haben, sei es noch immer schwer zu vermitteln, keinen zu kaufen, sagt Schulleiterin Triba: „Die Kinder wollen einen haben. Das hat auch etwas mit Prestige zu tun: Wenn man zur Schule kommt, bekommt man einen Schulranzen“, sagt Triba.
Von Zmuda beobachtet: „Schulranzen und Schultüte sind Statussymbole. Das ist ein gesellschaftliches Thema. Eltern sollten mit ihren Kindern darüber sprechen, ob etwas Kleineres nicht auch ausreicht.“
Spenden für Kinder ohne Schulranzen
An der Helene-Kaisen-Grundschule überlassen seit einigen Jahren Kinder nach der vierten Klasse ihre Schulranzen der Schule. Diese werden gespendet.
„Es kommen auch Kinder, die gar keine Tasche haben. Die Familien können sich das nicht leisten. Für sie haben wir dann drei bis vier gespendete Ranzen oder ganze Sets hier, meist ganz toll geputzt. Niemand soll wegen einer fehlenden oder falschen Tasche stigmatisiert werden“, sagt von Zmuda.
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