Demenz Beratung Die Psychologin Tanja Meier hat die Demenz Informations- und Koordinationsstelle DIKS ins Leben gerufen. Mit einem Team an der Sögestraße begleitet sie etwa 600 Erkrankte und ihre Angehörigen. Foto: Marcus Schmidt

Interview: Wie man mit Demenz umgehen sollte

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Weser Report: Frau Meier, woran erkennen Laien und Angehörige eine Demenz?

Tanja Meier: Es gibt drei Warnsignale: Das sind Schwierig­keiten im Kurzzeit­ge­dächtnis, Wort­findungs­störungen und auch Ver­hal­tens­­veränderungen. Man­ch­mal ziehen sich die Leu­te zu­rück und manchmal werden sie eher aggressiv. Man merkt, es verändert sich etwas nicht nur in den Fähigkeiten sondern auch im Verhalten.

Und was passiert bei der Krankheit – ganz simpel und kurz erklärt?

Man verliert zunehmend mehrere Fähigkeiten. Die Bewältigung des Alltags wird immer schwerer für die Personen, die von Demenz betroffen sind. Sei es eben, weil das Kurzzeitgedächtnis nicht mehr gut funktioniert – was wollte ich einkaufen, was habe ich gestern gegessen? Auch die zeitliche und räumliche Orientierung ist betroffen – welchen Tag haben wir heute? Zunehmend verliert man mehr und mehr die Kontrolle und ist auf Hilfe angewiesen.

Ist es immer noch ein Tabuthema und warum?

In den Medien ist es zum Glück kein Tabuthema mehr. Aber in Familien und bei Freunden ist es manchmal noch eins. Einerseits, weil man selber nicht sagt, ich hab Demenz, weil man damit sofort abgestempelt wird: „Du bist nicht mehr zu­rech­nungs­fähig.“ Das ist falsch. Wir haben viel mehr Menschen mit beginnender Demenz, die voll an unserem Alltag teil­nehmen. Wenn sie sagen wür­den, ich habe Demenz, dann wird sofort angenommen, der kann ganz viel nicht mehr. Wir müssen lernen, Menschen mit Demenz mit ihren Fähig­keiten darzustellen und nicht nur das, was wegfällt.

Ein Beispiel bitte: Wie sollten sich Angehörige und Freunde gegenüber Erkrankten verhalten…

Wertschätzend, respektvoll und nicht immer korrigierend.

…und was sollte man un­be­dingt vermeiden?

Man sollte unbedingt ver­mei­den, auf die eigene Realität ein­zugehen. Bei Dingen da­rauf zu beharren, wo es egal ist. Das bringt Menschen mit Demenz manchmal in die Verzweiflung, Depressivität oder in Aggressivität. Wichtig wäre es, einen guten Umgang damit zu finden und flexibel auf die Menschen einzugehen.

Worunter leiden Angehörige, wie können sie sich helfen lassen?

Angehörige haben vielfältige Problematiken. Das sind finanzielle Fragen, wie organisiere ich die Pflege und bleibe ich dabei gesund? Am besten ist es, sich individuelle Beratung in den Demenz-Be­ratungs­stellen oder am Pfle­ge­stützpunkt einzuholen. Es gibt nicht die Patentlösung.

Pflege zu Hause oder im Heim? Wann erkennt man den richtigen Zeitpunkt?

Grob gesagt, wenn Fremd- oder Eigengefährdung vor­liegt, oder die Belastungs­grenze überschritten ist. Es geht nicht immer darum, ob es dem Menschen mit Demenz zu Hause noch gut geht, sondern darum, halte ich das noch aus? Wenn Gefährdung vorliegt, muss man schauen, ob man im ambulanten Be­reich noch etwas tun kann. Oder ist das alles ausgeschöpft und muss es dann ins Heim gehen? Das ist eine schwierige Frage auch in der Be­rat­ungs­stelle.

Wovor müssen sich Angehörige am meisten fürchten: Dass Erkrankte ihren Namen ver­gessen oder weglaufen?

Das ist wieder so eine negative Darstellung. (Lacht kurz.) Ich kann verstehen, dass diese Themen interessieren. Ich glau­be, am meisten fürchten sich die Angehörigen davor, nicht mehr mit der Situation zurechtzukommen. Für jeden ist etwas anderes wichtig. Manche können darüber hinwegsehen, wenn sie nicht mehr als Tochter erkannt werden. Für andere ist es das Furchtbarste, was es auf der Welt gibt. Alle Angehörigen eint die Sorge: Schaffe ich das noch – und wie geht das zuende?

Haben Sie ein, zwei Buchtipps, die einem helfen oder etwas aus der Welt rund um Demente erzählen?

Die Journalistin Katrin Seyfart las gerade in Bremen aus ihrem Buch „Lückenleben“. Das Besondere daran ist, dass es Demenz im jungen Alter dar­stellt und wie die Familie damit umgeht. Ich finde auch „Unter Tränen gelacht“ von Moderatorin Bettina Tietjen lesenswert. Es hat auch die guten Seiten an Demenz, was man mit den Menschen noch Tolles erleben kann. Aber es hat auch die beängstigenden Momente.

Wie und wo können Sie mit der DIKS helfen?

Unser Beratungsangebot gilt allen Menschen, die in Bremen wohnen und einen dementiellen Menschen in Bremen haben. Aber auch Angehörige die auswärts leben, zum Beispiel in Stuttgart und hier einen erkrankten Verwandten haben. Wir beraten zu allen Themen – außer rechtlichen: Ist das schon Demenz? Wie bekomme ich eine Diagnose? Welche Leis­tungen gibt es? Wie gehe ich mit bestimmten Verhaltens­weisen um?

Was liegt Ihnen persönlich auf dem Herzen.

Es muss deutlich werden, dass es diese Beratungsangebote braucht. Wir haben mehr An­fragen, als wir schaffen kön­nen. Und das muss sicher fi­nan­ziert sein.

 

Tipp zum Welt-Alzheimertag:

Der 21. September ist Welt-Alzheimertag. In der Woche der Demenz gibt es in Bremen verschiedene Veranstaltungen. Termine findet man unter diks-bremen.de/termine. Mehr Informationen für Betroffene und Angehörige gibt es unter Telefon: 0421 / 98 99 52 99

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