Die Diskutanten des Abends (von links): Lena Gumnior (Grüne), Andreas Mattfeldt (CDU), Özge Kadah (SPD), Gero Hocker (FDP), Maik Smidt (BSW), Herbert Behrens (Linke). Foto: Utke
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„Was erzählen Sie uns heute?“

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Bundestagskandidierende von sechs Parteien debattierten über die Zukunft der Landwirtschaft

Nicht nur die Parteien nutzen den laufenden Wahlkampf: Auch die Landvolk-Kreisverbände Rotenburg-Verden und Osterholz, sowie der Verein „Land schafft Verbindung“ sahen die Chance, ihre Themen zu platzieren. Gemeinsam veranstalteten sie eine Diskussionsrunde in Grasberg zum Thema „Die Zukunft der Landwirtschaft“, zu welcher sie die Direktkandidierenden der verschiedenen Parteien einluden. Eine Ausnahme bildet Maik Smidt: Er ist kein Direktkandidat, sondern nur über die Liste des BSW wählbar.

Anwesend waren Lena Gumnior (Grüne), der gegenwärtige Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Verden-Osterholz Andreas Mattfeldt (CDU), Özge Kadah (SPD), Gero Hocker (FDP), Maik Smidt (BSW), Herbert Behrens (Linke). Susanne Rosilius, Direktkandidatin der AfD, war zwar eingeladen, nahm aber nicht an der Veranstaltung teil.

Die Themen bestimmte maßgeblich das Publikum im gut gefüllten Saal des Grasberger Hofs: Auf Zetteln konnten die Gäste ihre Fragen an das Podium notieren, um diese von der Moderation stellen zu lassen. In jeweils einer Minute – wobei es sich zeitweise um eher dehnbare Minuten handelte – bezogen die Kandidierenden Stellung zu den Bauernprotesten des vergangenen Jahres, Bürokratie und Dokumentationspflichten, Klimawandel, Tierhaltungsstandards, internationalen Handelsabkommen, der Wiedervernässung von Mooren oder einem Dauerthema unter niedersächsischen Landwirtinnen und -wirten: dem Wolf. Die Antworten der Kandidierenden ließen wenig Zweifel an den Linien ihrer Parteien, wobei ihre individuellen Schwerpunktsetzungen ebenfalls einflossen.

Die Standpunkte der Kandidaten

So betonte Behrens die Rolle von Großkonzernen in der Lebensmittelindustrie und konstatierte: „Es müssen die gleichen Standards für alle gelten.“ Internationalen Handelsabkommen gegenüber äußerte er sich kritisch.

Smidt erzählte, er habe durch seine Familie Berührungspunkte mit der Landwirtschaft, und basierte seine Antworten häufig anekdotisch. Zum Thema Energiepolitik sagte er, diese müsse wieder mehr zum Wohle Deutschlands ausgerichtet werden, „nicht nach den Interessen der USA“.

Hocker trat bereits in der Vergangenheit bei Bauernprotesten als Redner auf, was die Moderation mit der Frage „Was erzählen Sie uns heute?“ quittierte. Auf dem Podium forderte er Bürokratieabbau nicht allein durch Digitalisierung. Stattdessen müsse der Staat den Landwirten „mehr Vertrauen geben“, dass diese Umwelt und Tierwohl aus Eigeninteresse schützten.

Kadah hielt sich in ihren Antworten nah am Wahlprogramm der SPD, und setzte auf Dialog mit den Landwirten. Als Kandidatin brauche sie die Expertise der Bäuerinnen und Bauern, so Kadah.

Mattfeldt, selbst ehemaliger Fleischer, sprach dem Publikum nicht nur in Sachen Klimawandel gut zu: „Ihr seid nicht das Problem, ihr seid die Lösung“, schien an diversen Stellen sein Credo. Er kritisierte, dass der Schutzstatus von Wölfen zu hoch sei, und dies Landwirte belaste. „Ich sehe regelmäßig Wölfe, wenn ich joggen gehe“, so Mattfeldt.

Gumnior sprach sich für Klima- und Umweltschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft aus. Das Living Lab Teufelsmoor sei ein gelungenes Beispiel dafür, wie die Wiedervernässung von Mooren möglich sei, während gleichzeitig die Interessen der anliegenden Landwirte gewahrt würden. Ihr Argumentationskern: Maßnahmen wie genetisch angepasstes Saatgut könnten einen notwendigen Systemwandel nicht ersetzen.

Kommentar

Die Grenzen der Neutralität

Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Doch vor der Wahl kommt die Meinungsbildung. Veranstaltungen wie die Podiumsdiskussion von Landvolk und „Land schafft Verbindung“ (LSV) sind hierzu ein wichtiges Mittel. Solche Diskussionsrunden wirken in zwei Richtungen: Das Publikum hört, wie die Kandidierenden auf seine Fragen antworten, und bildet sich eine Meinung. Doch zugleich konfrontieren Gastgeber und Publikum die Politikerinnen und Politiker mit ihren Themen. Indem Landvolk und LSV zur Debatte laden, platzieren sie ihre Themen – mindestens ebenso sehr, wie die Kandidierenden es tun. Die beiden veranstaltenden Gruppen vertreten gewisse politische Standpunkte, legitimerweise. Auch die anwesenden Mitglieder von Landvolk und LSV vertreten politische Standpunkte, legitimerweise. Solche Veranstaltungen zu moderieren, birgt Schwierigkeiten: Die Moderatoren standen als Sprachrohr der anwesenden Landwirte auf dem Podium, verlasen ihre Fragen, haben auch selbst politische Standpunkte inne. Doch wer moderiert, tut dies nicht als Mitglied einer Interessengruppe, nicht als Landwirt, nicht als politische Person. Wer moderiert, ist Moderator. Wer moderiert, ist für die Dauer der Moderation Funktion statt Person. Zumindest idealerweise, denn den ein oder anderen Konter, schelmischen Einwurf oder schnippische Bemerkung konnten oder wollten sie sich nicht verkneifen. Diese schienen einige Parteien bedeutend häufiger und härter zu betreffen als die anderen Diskutanten. Das ist zwar meinungsstark, wird der Verantwortung einer Moderation allerdings nicht gerecht.

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