Sind Elektroautos „in jeder Beziehung“ die günstigere Automobilität? Bild: unsplash.com © JUICE https://unsplash.com/de/fotos/ein-mann-der-mit-einem-hund-vor-einem-schwarzen-lieferwagen-spazieren-geht-bqiVXPlafUU Sind Elektroautos „in jeder Beziehung“ die günstigere Automobilität? Bild: unsplash.com © JUICE https://unsplash.com/de/fotos/ein-mann-der-mit-einem-hund-vor-einem-schwarzen-lieferwagen-spazieren-geht-bqiVXPlafUU
Elektroauto

Unterhalts- und andere Kosten für Elektroautos

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Nicht zwingend konkurrenzlos günstig?

Batteriegetriebene Elektroautos, sogenannte BEV (aus dem Englischen Battery Electric Vehicle), gelten gemeinhin als die in jeder Beziehung wesentlich günstigere Form der Automobilität, verglichen mit Verbrennern. In der Praxis steht dieses Attribut jedoch häufig auf tönernen Füßen. Denn vieles hängt vom Einzelfall ab.

Preisgünstiges Gleiten: Woher das E-Auto-Standing stammt

In den meisten Klischees steckt bekanntlich ein mehr oder weniger großes Körnchen Wahrheit. Bei BEV, das sei deutlich unterstrichen, handelt es sich in einigen Fällen um ein ziemlich voluminöses Korn. Betrachten wir dazu, wie das Elektroauto den Ruf als erheblich günstigere Alternative bekommen konnte:

  1. Technik:
    Ein Elektroantrieb ist mechanisch deutlich simpler aufgebaut als ein Otto- oder Dieselmotor. Selbst wenn die oft kolportierte Ansicht, BEV hätten grundsätzlich gar kein Getriebe, so nicht stimmt, handelt es sich wenn um einfache Ein-Gang-Übersetzungen ohne Kupplung. Darüber hinaus fehlt das gesamte Kraftstoff- und Gemischbildungssystem. Die Folge: Je nach Fahrzeugklasse mehrere Hundert Teile weniger, die verschleißen, kaputtgehen können und für viel Geld repariert werden müssen.
  2. Aufladen:
    Wer nicht gerade eigenen Biodiesel herstellen kann, findet Kraftstoffe nur an der Zapfsäule – üppig besteuert. Beim BEV dagegen genügt prinzipiell jede Steckdose, die mindestens 230 Volt Netzspannung liefert. Da unter anderem Geschäfte und Arbeitgeber diesen Strom kostenlos offerieren, und das Aufladen via Photovoltaik erfolgen kann, existieren verschiedene Optionen für ein extrem preisgünstiges bis völlig kostenloses Laden.
  3. Besteuerung:
    Anfang der 2010er beschloss die damalige Bundesregierung, BEV-Käufern ein sehr attraktives Steuergeschenk zu machen, das für Neuzulassungen noch bis Ende 2025 gilt. Für bis zu zehn Jahre ab Erstzulassung, und unabhängig von der Zahl der Halter, sind Elektroautos komplett von der Kfz-Steuer befreit. Diese Regelung gilt bis Jahresende 2030. Nach den höchstens zehn Jahren greift ein rein gewichtsbezogener Besteuerungsmechanismus – durch den die allermeisten BEV steuerlich günstiger wegkommen als ein vergleichbares Verbrennerfahrzeug.
  4. Versicherung:
    Um die grundsätzliche Höhe der Policen zu kalkulieren, betrachten die Versicherer, welche Kosten ihnen mit einem bestimmten Fahrzeug in einer bestimmten Region durch Versicherungsfälle entstehen. Lange Zeit hatten Elektroautos hierbei ein hervorragendes Standing mit mehreren zehn Prozent geringeren Kosten in allen Versicherungsklassen.

Dem gegenüber standen und stehen die Anschaffungskosten. Bei Fahrzeugmodellen, die als BEV und Verbrenner erhältlich sind, ist die elektrische Variante nach wie vor im Schnitt um einige tausend Euro teurer. Ähnliches gilt für nur als Stromer erhältliche Autos, wenn man sie mit Verbrennerfahrzeugen derselben Fahrzeugklasse, Ausstattungslinie usw. vergleicht.

Haben die BEV-Verfechter also einschränkungslos Recht? Sind Elektrofahrzeuge absolut immer die günstigere Alternative, zumindest im Unterhalt? Leider nein. Denn in der Praxis kommen einige Faktoren hinzu, die das günstige Vergnügen ziemlich eintrüben können.

Reparaturkosten

An BEV können viele Teile nicht ausfallen, weil sie schlichtweg nicht vorhanden sind. Leider führt das jedoch nicht automatisch dazu, dass Elektroautos ihren Eigentümern geringere Reparaturkosten bescheren. Wenn etwas kaputtgeht, dann ist häufig das Gegenteil der Fall.

Verschiedene jüngere Studien ermittelten durch die Bank weg Mehrkosten im Vergleich mit ähnlichen Verbrennermodellen. Die kolportierten Werte bewegen sich im Bereich von

  • gut 10 Prozent (Dekra),
  • 30 bis 35 Prozent (Gesamtverband der Versicherer) und
  • „etwa doppelt so teuer“ (Autovermieter Hertz laut einem Spiegel-Artikel).

Die angegebenen Gründe dafür sind vielfältig:

  • Um BEV reparieren zu können, sind Werkstätten zu umfangreichen Investitionen in Personal und Ausrüstung gezwungen. Diese Kosten werden auf den Kunden umgelegt.
  • Aufgrund der Batterie sind Elektroautos meist schwerer als vergleichbare Verbrenner-PKW. Dieses Mehrgewicht belastet das gesamte Fahrwerk, wodurch sich dessen Verschleiß erhöht.
  • Durch die seit Mitte 2024 geltenden Anforderungen müssen auch Elektrofahrzeuge sehr umfassende elektronisch-digitale Assistenzsysteme enthalten – die kaputtgehen können.
  • Dank Rekuperation benötigen BEV erheblich seltener das klassische Bremssystem. Das kann Schäden durch Nichtbenutzung hervorrufen, etwa Rost, festsitzende Bremskolben und Ähnliches.

Ausgehend von Tesla kommt aktuell bei immer mehr Fahrzeugen ein weiterer Punkt hinzu. Wo eine PKW-Rohkarosse üblicherweise aus geformten, miteinander verschweißten Stahl- oder Aluminiumblechen besteht, gehen neuerdings immer mehr Hersteller einen anderen Weg. Beim sogenannten Mega- oder Gigacasting werden diese Baugruppen aus einem Stück in Aluminium gegossen – ein technisch extrem anspruchsvolles Prozedere.

Klassische Stahlblech-Karosseriebaugruppen kann man nach Unfällen mit gezieltem Krafteinsatz richten; im Zweifel die Schweißnähte auftrennen und neue Elemente einschweißen. Aluminium-Gussteile dagegen können üblicherweise nur im Ganzen ersetzt werden. Da viele Hersteller planen, künftig die Rohkarosse aus nur drei, zwei oder sogar einer Megacasting-Baugruppe zu fertigen, macht bereits der Begriff „Wegwerfauto“ die Runde – egal wie überzogen er sein mag.

Zwar wird diese Technik derzeit auch bei den ersten Verbrennern eingesetzt. Zusammen mit den anderen Faktoren sorgt sie dennoch dafür, dass BEV in der Reparatur teurer sind und es wohl bleiben werden. Das hat Auswirkungen auf einen anderen Kostenpunkt.

Steigende Versicherungskosten

Auch an der „Versicherungsfront“ beginnt die preisliche Überlegenheit von Elektrofahrzeugen allmählich zu bröckeln. Zum Jahreswechsel 2024/2025 hoben die Versicherer die Policen für Elektrofahrzeuge deutlich stärker an als diejenigen für Verbrenner. Besonders dramatisch war es bei der Vollkasko-Versicherung. Während dieser Rundum-Schutz für Verbrenner um 25 Prozent stieg, waren es für BEV und Hybriden 30 Prozent.  Die wesentlichen Gründe dafür:

  • Die höheren Reparaturkosten. Da die Vollkaskoversicherung auch selbstverschuldete Schäden abdeckt, fällt dieser Wert hier besonders ins Gewicht.
  • Der gestiegene Anteil von BEV. Je mehr dieser Fahrzeuge zugelassen sind, desto mehr Unfälle werden damit gebaut. Das erhöht die absoluten Summen, die Versicherer für diese Fahrzeuge bezahlen müssen.

Einen Lichtblick gibt es allerdings: Im Vergleich mit Verbrennern melden BEV-Besitzer im Schnitt ein Fünftel weniger Schäden. Ob dies an einem geringeren Reparaturbedarf oder vorsichtigerer Fahrweise liegt, ist nicht bekannt.

Wertverlust

Dieser Punkt wird zwar nur relevant, wenn Besitzer ihr Elektroauto verkaufen möchten. Dennoch muss er der Vollständigkeit halber genannt werden. Furore machte vor allem eine Kalkulation des Unternehmensberaters Berryls Group.

Die Experten kamen zum Ergebnis, dass ein drei Jahre alter vollelektrischer Durchschnitts-Gebrauchter mit 60.000 Kilometern Laufleistung einen Wertverlust von 57 Prozent erleidet. Das wären 12 Prozent oder gut 5.600 Euro mehr Verlust als bei einem ähnlichen Modell mit Ottomotor.

Die Gründe sind vielfältig:

  • Nach wie vor sind die Entwicklungssprünge zwischen den BEV-Modellgenerationen groß. Junge Gebrauchte wirken dadurch stärker „veraltet“.
  • Unter den nur wenige Jahre gehaltenen Elektroautos finden sich tendenziell viele große, schwere, teure SUV und Limousinen. Sie sind für den Massenmarkt uninteressant.
  • Nach wie vor gibt es viele Bedenken hinsichtlich der Akku-Lebensdauer, egal wie unrealistisch diese meistens sind. Hauptproblem sind die tatsächlich hohen Preise für Ersatz-Energiespeicher von (grob) 200 Euro pro Kilowattstunde. Das sorgt bei vielen Austausch-Akkus für deutlich fünfstellige Beträge.
  • Allmählich hält der von Verbrennern bekannte Preiskampf bei Elektroautos Einzug. Das senkt die Neuwagenpreise, wodurch der Kostenabstand zu Gebrauchten geringer wird. Dieser Effekt wirkt verstärkt aufgrund der erwähnten Entwicklungssprünge.

Teils dreiste Ladestrompreise

Wer sein BEV meistens auf der Arbeit, dem Supermarktparkplatz oder an der heimischen PV-Anlage kostenlos laden kann, der ist in der Tat „fein raus“. Denn in dem Fall tendieren die Ladekosten für ihn gen Null, wodurch sich eine dramatische Ersparnis selbst gegenüber sehr sparsamen Verbrennern ergibt.

Bloß kann längst nicht jeder Besitzer von Elektrofahrzeugen zu so günstigen Konditionen laden. Viele sind auf den privaten Netzstrom angewiesen, andere auf öffentliche Ladesäulen. In solchen Fällen kann der Kostenabstand zu Verbrennern deutlich schrumpfen. Schlimmer noch – es kann zu Situationen führen, in denen Elektroautos Kilometer für Kilometer größere Energiekosten verursachen als Verbrenner.

  • Wer bei den Haushaltsstrom- und Kraftstoffpreisen von 2024 über das heimische Netz laden konnte, der sparte „nur“ noch 38 Prozent gegenüber einem Diesel und 47 Prozent gegenüber einem Benziner. Zweifellos eine ziemliche Einsparung, aber dennoch teuer im Vergleich mit nahezu kostenlosen Lademöglichkeiten.
  • Wer dagegen 2024 seinen Strom an öffentlichen Ladesäulen beziehen musste, zahlte Preise zwischen 11,10 und 13,11 Euro für 100 Kilometer elektrische Reichweite. Je nach Kraftstoffverbrauch bedeutete das vergleichbare und sogar höhere Kosten als bei einem Benziner.

Insbesondere die Preise öffentlicher Ladesäulen werden von verschiedenen Seiten aufs Schärfste kritisiert. Denn vielfach ist die Preisgestaltung sehr intransparent.

Rein durch die Kosten für Kauf und Installation sowie Betrieb und Wartung und eine etwaige Standortmiete lassen sich die Werte nicht erklären. Viele Kritiker behaupten daher, Ladesäulenbetreiber würden regionale Monopole oder Oligopole reichlich schamlos ausnutzen, da BEV-Fahrer nicht auf günstigere Konkurrenten ausweichen können.

Zusammengefasst

Sind Elektroautos „in jeder Beziehung“ die günstigere Automobilität? Nein, solche Pauschalaussagen lassen sich bei genauer Betrachtung nicht halten. Wohl stimmt es, dass BEV „unter bestimmten Bedingen“ erheblich günstiger im Unterhalt sind. Dennoch sollten Käufer sehr genau anhand ihrer persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten rechnen.

Dabei gibt es allerdings einen Lichtblick: Tendenziell wird das E-Auto unter immer mehr Bedingungen tatsächlich die günstigere Wahl. Denn Kraftstoffkosten und mutmaßlich Kfz-Steuern für Verbrenner werden immer weiter steigen. Viele heutige Kostentreiber beim BEV haben dagegen den Scheitelpunkt schon erreicht oder stehen kurz davor.

In einigen Jahren dürfte der Tenor dieses Textes deshalb deutlich anders lauten. Bis dahin heiß es jedoch: Bitte keinen Pauschalaussagen glauben, sondern nüchtern rechnen.

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