In keinem anderen Bundesland sind so viele Menschen von einer Alkoholabhängigkeit betroffen wie in Bremen. Das zeigt eine Analyse des Instituts für Gesundheitssystemforschung der Barmer Krankenkasse aus dem Jahr 2023: 2,02 Prozent der dort versicherten Bremerinnen und Bremer waren von Alkohol abhängig (Bundesdurchschnitt 1,69 Prozent). Die Dunkelziffer ist hoch.
Mit einer Suchthilfestrategie für die Stadt Bremen will die SPD die bereits 2023 beschlossene Integrierte Drogenhilfestrategie erweitern. Neben Drogen wie Crack oder Fentanyl nimmt ein Antrag des Unterbezirksvorstands an die Delegierten des heutigen (30. August) Parteitags insbesondere auch Alkohol in den Fokus und setzt auf Prävention, um Suchterkrankungen stärker als bisher primär zu verhindern.
Schüler und Schülerinnen im Fokus
Konkret sieht der Antrag vor zu beschließen, standardisierte Präventionsangebote durch das Landesinstitut für Schule (LIS) sicherzustellen und in Kooperation mit ehemaligen Suchtbetroffenen insbesondere an junge Menschen heranzutragen. Angesprochen werden sollen vor allem Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Jahrgangsstufen.
Diese könnten wiederum über die Schul-Ipads sowie die App „Its Learning“ flächendeckend erreicht werden – etwa auch über eine so genannte Gamification und spezifische Angebote.
Zudem sieht der Antrag vor, Prominente aus Sport, Musik und Influencerinnen und Influencer in die Kampagne einzubeziehen. Mit Werder Bremen etwa stehe man bereits in Kontakt, heißt es aus den Reihen des Unterbezirksvorstands.
Werbe- und Verkaufsverbot für Alkohol
Auch Auszubildende sollen angesprochen werden. Dafür soll gemeinsam mit dem LIS sowie der Handels- und der Handwerkskammer eine Präventionsstrategie erarbeitet werden, so der Antrag. Der Senat soll zudem aufgefordert werden, sich für ein umfassendes Alkohol-Werbeverbot einzusetzen, außerdem für ein Verkaufsverbot von Alkohol in Bremen zwischen 22 und 7 Uhr.
So sollen Spontankäufe in den Abendstunden verringert werden. Dies sei bereits in Ländern wie Spanien gängige Praxis. Auch sollen Maßnahmen zur Erhöhung die Steuer auf alkoholische Getränke auf das EU-Mindestmaß eingeleitet werden, so die Forderung an den Senat weiter.
Prävention ist „Schritt in die richtige Richtung“
„Andere Länder gehen deutlich strikter mit dem Werben für und dem Verkauf von Alkohol um“, sagt Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) an der Universität Bremen. Er sieht den Antrag als Schritt in die richtige Richtung.
„Wir müssen die Prävention nach vorne bringen“, so der promovierte Humanmediziner weiter.
Um grundsätzlich der Suchtproblematik Herr zu werden, sei es entscheidend, früher anzusetzen. „Insbesondere beim Thema Alkohol muss frühzeitig in Schulen darüber gesprochen werden, welche verheerenden Auswirkungen er auf die Gesundheit hat“, sagt Zeeb und lobt, dass der Antrag auch die Berufsschulen mit einbezieht.
Es gehöre allerdings auch dazu, die Seite der Anbieter mit einzubeziehen. „In Deutschland gehen wir auch in der Preisgestaltung mit dem Thema Alkohol sehr liberal um“, sagt Zeeb. Auch da seien andere Länder bereits deutlich weiter.
Der Antrag der SPD sieht in diesem Zusammenhang vor, die Steuer auf alkoholische Getränke je nach deren Gehalt anzuheben. „Eine variable Steuer wäre gut, aber schwer umzusetzen“, meint Zeeb.
Alkohol ist ein starkes Zellgift
Alkohol sei ein großer Akteur, wenn es um die Gesundheitsausgaben in Deutschland gehe, erklärt Zeeb. „In der Summe überschreiten die Schäden durch Alkohol die anderer Rauschmittel deutlich. Es ist ein starkes Zellgift und hat zahlreiche verheerende Auswirkungen, die mit ihm assoziiert werden können.“
Und obwohl in sozial benachteiligten Stadtteilen Suchtproblematiken allgemein häufiger anzutreffen sind, sei Alkoholabhängigkeit oder zumindest ein regelmäßiger Konsum eben auch in allen Bevölkerungsschichten und bei Gut- und Besserverdienern sehr häufig zu finden.
„Es ist Zeit, dass wir Alkoholkonsum denormalisieren“, erklärt der Professor. Und da spiele eben auch ein Werbeverbot, wie es schon seit langem immer wieder gefordert wird, eine zentrale Rolle.







