Der Großmarkt ist Bremens größter Frischwaren-Umschlagplatz. Foto: Füller Der Großmarkt ist Bremens größter Frischwaren-Umschlagplatz. Foto: Füller
Reportage

Großmarkt Bremen:Frische im Herzen der Überseestadt

Von
Innovationen und Markttreiben auf Bremens größtem Frischwaren-Umschlagplatz

Um 6 Uhr morgens winkt den meisten Händlern und Käufern auf dem Großmarkt schon der Feierabend. Viele sind seit Stunden auf den Beinen, handeln und verladen Waren.

Seit 4 Uhr sind auch die Blumenhändler vor Ort, ein betörender Duft empfängt Einkäufer in der Blumenhalle. „Das Feilschen kann Stunden dauern“, verrät Marktaufseher Markus Günsch. Er kennt den Großmarkt und die Menschen vor Ort wie seine Westentasche.

Regionalität sorgt für Frische

Seit 41 Jahren ist Günsch beim Großmarkt beschäftigt, fing mit 19 Jahren an hier zu arbeiten. „Ich habe in der Blumenhalle angefangen und auch heute ist es noch so, dass ich den frischen Blumenduft vermisse, wenn ich Urlaub habe“, sagt Günsch.

Die Stärke des Bremer Großmarktes ist seine Regionalität. „Unsere Erzeuger kommen aus der Region: Rosen aus Huchting, Obst und Gemüse aus Stuhr oder Vechta, Eier aus Cappeln. Die Waren haben keine weiten Wege hinter sich und wurden nur Stunden vor dem Verkauf geerntet“, sagt Günsch.

Sonnenaufgänge entschädigen für Müdigkeit

Leider, so der Marktaufseher weiter, würden immer mehr kleinere Erzeugerbetriebe unter dem Fachkräftemangel und fehlenden Nachfolgern leiden. „Sie machen das bis zur eigenen Rente und dann kommt keiner mehr nach“, bedauert Günsch.

Für den Großmarkt muss man geschaffen sein. „Jeder Tag ist anders und das frühe Aufstehen liegt nicht jedem“, sagt Günsch, der selbst erst gegen 6 Uhr anfängt. Aber man erlebe die schönsten Sonnenaufgänge Bremens, schwärmt er.

Traumhafte Sonnenaufgänge entschädigen für das frühe Aufstehen.Foto: Füller

Traumhafte Sonnenaufgänge entschädigen für das frühe Aufstehen.
Foto: Füller

Obst und Gemüse direkt vom Feld

In der Erzeugerhalle ändert sich der Duft: Statt betörender Blüten liegt etwas fruchtiges in der Luft. „Die Halle wurde extra so gebaut, dass man von allen Seiten heran fahren kann“, erklärt Günsch. Hier hält er einen Plausch mit den Erzeugern.

Andreas Niemöller etwa packt gerade zusammen. Er ist seit 1 Uhr hier, hat alles verkauft und muss nach einer kurzen Pause zurück auf sein Feld. „Im Sommer gehe ich um 20 Uhr schlafen“, verrät er. Viermal pro Woche bietet Niemöller sein Obst und Gemüse auf dem Großmarkt an.

Günsch hat zu allen Händlern ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, ist Ansprechpartner wenn es mal Probleme gibt.

Markus Günsch (l.) kennt jeden Erzeuger und Händler auf dem Großmarkt Bremen. Auf seiner Runde hält er überall mal einen Plausch. Foto: Füller

Markus Günsch (l.) kennt jeden Erzeuger und Händler auf dem Großmarkt Bremen. Auf seiner Runde hält er überall mal einen Plausch. Foto: Füller

Händler aus allen Teilen der Erde

In der Obst- und Gemüsehalle stehen neben Anbietern aus dem Alten Land auch türkische Händler. Sie bieten auch landestypische Spezialitäten an, sind seit 30 Jahren Teil des Großmarktes. „Zuerst waren es die Italiener, dann die Türken, jetzt haben wir hier auch die arabische Liga, wie ich sie nenne“, erklärt Günsch.

Onkel & Sadam etwa kommt aus dem Irak. Die Nachfrage sei groß, insbesondere seit viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen.

Italienische Händler gibt es heute kaum noch auf dem Großmarkt, auch ihnen fehlen die Nachfolger. Zu den türkischen Anbietern gehören auch der Tiefkühlkostanbieter Istanbul Food sowie das türkische Äquivalent zu Metro, Cetinay.

Um den Großmarkt wuchs die Überseestadt

„Die Händler bewerben sich um einen Platz auf dem Großmarkt Bremen. Einkaufen darf nur, wer einen entsprechenden Nachweis hat. „Wir könnten noch gut 30 Prozent mehr Flächen vermitteln, sind aber begrenzt auf die Flächen, die wir haben“, sagt Günsch.

Seit 22 Jahren ist der Großmarkt am jetzigen Standort in der Überseestadt. In den vergangenen Jahren hat der Marktaufseher beobachtet, wie die Überseestadt um ihn herum immer weiter wuchs. „Hier war nichts und zack, standen da die Häuser. Und dann kamen die Beschwerden“, erinnert sich Günsch.

Auf die Nachbarn zugegangen

Anwohnende fühlten sich durch die lauten Kühlfahrzeuge gestört. Man habe die Beschwerden sehr ernst genommen und sei auf die Nachbarschaften zugegangen, sagt Günsch.

So sei etwa hinter die Spezialitätenhalle eine Schallschutzwand gesetzt worden, die Kühlfahrzeuge wurden in die Mitte des Grundstücks geholt und das Pförtnerhaus sei rund um die Uhr besetzt, um Beschwerden entgegen zu nehmen.

Gemeinsam Krisen gemeistert

„Wer einmal hier ist und infiziert, der bleibt auch oder kommt immer wieder zurück“, sagt Günsch, der jeden Händler kennt.

„Wir haben hier schon tolle Dinge erlebt, zum Beispiel während der großen Klopapier-Krise der Coronajahre. Zwei türkische Händler konnten aus dem Ausland etliche Jumbo-Lastzüge voller Klopapier organisieren, in denen einzeln verpackte Rollen lagen, ohne Paletten, einfach lose. Der Zoll konnte gar nicht glauben, was er da vor sich hatte“, schmunzelt Günsch.

In einer der vielen Hallen des Großmarktes ist das Bremer Unternehmen Reishunger untergebracht. „Als die anfingen, lagen da zwei, drei Sack Reis in der riesigen Halle. Heute haben sie 17 Sorten Reis etabliert und über 100 Mitarbeitende beschäftigt“, weiß Günsch.

Corona habe für Auftrieb gesorgt, schließlich mussten die Menschen selber kochen und konnten nicht in Restaurants gehen.

Kochen mit Leidenschaft

Selber kochen, das macht auch der Marktaufseher. „Ich sitze ja an der Quelle und ich probiere unglaublich gerne neue Dinge aus“, sagt Günsch. So habe er auf dem Großmarkt zum ersten Mal Flower Sprouts gesehen, eine Michung aus Spinat und Kohl.

„Ich probiere mich hier durch, vor allem die so genannten Arme-Leute-Rezepte finde ich toll“, sagt der leidenschaftliche Hobby-Koch. Bei den türkischen Händlern habe er Datteln für sich entdeckt und inzwischen den Industriezucker so gut wie ganz von seinem Speiseplan gestrichen.

In den Kühlhäusern des Großmarktes lagern frische Lebensmittel. Marktaufseher Markus Günsch genießt die Düfte.Foto: Füller

In den Kühlhäusern des Großmarktes lagern frische Lebensmittel. Marktaufseher Markus Günsch genießt die Düfte. Foto: Füller

Strenge Regeln für die Lagerung

Auch in der Spezialitätenhalle wird Günsch dabei für seine Rezepte fündig. In den Kühlhäusern werde sehr genau darauf geachtet, dass bestimmte Waren nicht nebeneinander stehen. Sie könnten sich negativ beeinflussen.

Der Lieblingsraum des Aufsehers ist der Käseraum. Hier lagern die Laibe und es gibt viel zu entdecken. In der Fischhalle der Firma Bode steht sogar ein Hummerbecken, in der Halle von Fresh4you wird Gemüse für Kindergärten, Altenheime, Gastronomie und Großhändler tagesfrisch vorgeschnibbelt.

Wertstoffe gründlich trennen

Der Bremer Großmarkt ist Vorreiter für andere Großmärkte, sagt Günsch stolz. Er betreibt beispielsweise seine eigene Recyclingstation, in der die Restwertstoffe penibel voneinander getrennt werden. Rund 600 Mitarbeitende hat der Großmarkt, hinzu kommen die Händler und Einkäufer.

Und Günsch kennt sie alle. „Politik bleibt draußen, wir sind hier eine Familie mit vielen verschiedenen Nationalitäten“, sagt Günsch. Gegen 9 Uhr kommt der Reinigungstrupp mit den Kehrmaschinen.

„Wenn ich den müden Händlern noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte, freue ich mich besonders“, sagt der Vater von zwei Kindern, der in drei Jahren in Rente gehen möchte. „Mein Herz hängt hier dran.“

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren...

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner