Bald werden die Uhren wieder von der künstlichen „Sommerzeit“ auf die normale Mitteleuropäische Zeit (MEZ), unsere sogenannte Winterzeit, gedreht. Am 27. Oktober 2024 wird die Uhr dafür um Punkt drei Uhr um eine Stunde auf zwei Uhr zurückgestellt. Infolge wird es nach der Uhr des Menschen also eine Stunde früher hell, dafür aber auch eine Stunde früher dunkel. Während sich viele Leser über die geschenkte Stunde freuen, kennen Wildtiere diesen durch den Menschen künstlich hervorgerufenen „Zeitwechsel“ nicht. Wildtiere orientieren sich nämlich am Tageslicht. Und für sie ist eine derartige Zeitumstellung lebensgefährlich.
Nach der Zeitumstellung steigt das Risiko für Wildunfälle
Nach einer solchen steigt daher für einige Zeit das Risiko für Wildunfälle. „Wildtiere kennen keine Winterzeit“, warnt der Deutsche Jagdverband (DJV). Da der Berufsverkehr von einem auf den anderen Tag wieder in die Dunkelheit oder die Dämmerung fällt, kollidiert dieser genau mit der Rushhour von Wildtieren. Rehe, Füchse, Feldhasen, Igel, Marder und andere Tiere sind in der Dämmerung auf Futtersuche und kreuzen dabei auch die Verkehrswege der Menschen.
Straßenbau zerstört Habitate von Wildtieren
Die Tierschutz- und Wildtier-Expertin Alexandra Dörnath, die die Tierarztpraxis Klein Mexiko und das Exoten-Kompetenz-Centrum leitet, sagt dazu: „Alles ist immer eine Frage der Perspektive. Tiere nutzen in der Regel immer die gleichen Routen. Wenn eine Straße durch eine solche Route gelegt wird, dann spricht der Mensch zwar von ,Wildwechsel‘ und davon, dass es im Herbst für Autofahrer gefährlich würde. In Wahrheit aber hat der Mensch mit dem Straßenbau das Habitat des Wildes zerschnitten. Eigentlich überquert also nicht das Wild die Straße, sondern die Straße durchquert den Wald, den Lebensraum des Wildes.“ Der Mensch könne vorausschauend fahren, den Straßenrand im Blick behalten und den Fuß vom Gas nehmen und maximal aufmerksam bleiben.
Die Achtung-Wildwechsel-Schilder warnen die Autofahrer vor querenden Wild. Foto: Hans auf Pixabay
Das Fressverhalten der Wildtiere ändert sich im Herbst
Aber nicht nur die Umstellung der Uhren bringt neue Gefahren für das Wild, sondern auch das herbstliche Mähen, welches Wildtiere aufscheucht. Außerdem verändert sich das Fressverhalten der Tiere im Herbst. Vor dem Winterschlaf versuchen sich beispielsweise die Igel noch Winterspeck anzufressen und auch das Rehwild ist vermehrt zur Futtersuche unterwegs und sucht oft auch auf Straßen nach Eicheln und anderen heruntergefallenen Baumfrüchten.
Die größte Gefahr droht in der Dämmerung
Insbesondere entlang unübersichtlicher Wald- und Feldränder müsse die Geschwindigkeit reduziert werden, so die Wildtierexpertin. Befinde sich ein Tier am Straßenrand, müsse der Fahrer abblenden, hupen und bremsen. „Ein Tier kommt selten allein“, betont Dörnath. Fahrer sollten also stets mit weiteren rechnen und auf der Hut sein. Die größte Gefahr drohe in der Morgen- und Abenddämmerung, bei Nacht und bei Nebel. Langsames Fahren und rechtzeitiges Bremsen seien extrem wichtig. „Die Aufprallmasse eines Rothirsches bei Tempo 60 ist um ein Vielfaches höher als seine eigene Körpermasse. Sie entspricht nämlich mit fünf Tonnen in etwa der eines Asiatischen Elefanten“, warnt die Wildtierärztin.
Bei einem Wildunfall sollte man zu lebenden Tieren Abstand halten
Sollte es dennoch zu einem Wildunfall kommen, müsse die Unfallstelle mittels Warnblinkanlage und Warndreieck gesichert sowie die Polizei gerufen werden, betont die Expertin. Tote Tiere müssten mit Handschuhen von der Straße geräumt werden, zu lebenden Tieren müsse Abstand gehalten werden. „Wer Wild mitnimmt, macht sich der Wilderei strafbar“, so Dörnath. Einem geflüchteten Tier dürfe nicht gefolgt werden, in der Unfallmeldung sollte aber die Fluchtrichtung mitgeteilt werden. „So kann der Jäger das verletze Tier leichter finden“, sagt Dörnath. Für die Versicherung müsse man sich eine Wildunfallbescheinigung vom Jäger oder der Polizei ausstellen lassen.
Die Expertin
Dr. Alexandra Dörnath aus der Tierarztpraxis Klein Mexiko
Foto: Bollmann
Der Mensch dreht also an der Uhr und gefährdet somit das Leben von Wildtieren sowie von Menschen, die auch regelmäßig bei diesen Unfällen verletzt oder getötet werden. Die Mehrheit der Menschen leidet zudem an einem Mini-Jetlag nach der Zeitumstellung. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin spricht sich daher für eine Beibehaltung der Normalzeit, also der Winterzeit, aus. Dies tut auch die Wildtierexpertin Dörnath, allerdings primär, um das Leben unserer Wildtiere zu bewahren.
■ Falls Ihnen ein Thema rund um einheimische Wildtiere und auch Exoten unter den Nägeln brennt, schreiben Sie uns an martin.bollmann@weserreport.de eine Mail. mb