Ein ganz gewöhnlicher Moment an einer Haltestelle im Steintor, werktags, 10 Uhr morgens: Und auf dem Boden liegen schon zwei Dutzend Kippen. Zigarettenstummel sind eine ernstzunehmende Umweltbelastung. Jährlich werden rund 4,5 Billionen Kippen weltweit weggeworfen. Foto: Bollmann
Wildtieren helfen

„Sondermüll“ Zigarettenkippen

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Nicht achtlos wegwerfen: Zigarettenkippen vergiften Flora und Fauna. Kippen enthalten bis zu 7.000 Chemikalien

Zigarettenstummel vergiften Gewässer

Rauchen ist nicht nur für Raucher ungesund, denn es verändert das Erbgut, Kippen verursachen auch einen erheblichen Umweltschaden. Zigaretten enthalten laut WHO bis zu 7.000 verschiedene Chemikalien. Davon sind viele giftig und mindestens 50 krebserregend. Achtlos weggeworfene Zigarettenstummel verschmutzen insbesondere Gewässer. Dies betrifft aber nicht nur Oberflächenwasser, sondern auch Ozeane. Laut BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland) sind über 53 Prozent des Mülls in der Ostsee Zigarettenstummel und die WHO stellt fest, dass Kippen weltweit der größte Abfallanteil an Stränden und in Städten sind. Vermutlich stellen Zigarettenfilter aus dem Kunststoff Celluloseacetat sogar den größten Anteil des weltweiten Mülls dar.

Der Nikotingehalt einer Kippe vergiftet bis zu 1.000 Liter Wasser

Nach einer halben Stunde löst sich die Hälfte des Nikotingehaltes einer Kippe in einer Pfütze. Ein Zigarettenstummel vergiftet bis zu 1.000 Liter Wasser so sehr, dass zum Beispiel Wasserflöhe sterben, berichtet Bernd Quellmalz vom BUND Bremen. Eine Kippe verschmutzt etwa 40 Liter Grundwasser. Für Fische ist eine Zigarette pro Liter Wasser tödlich. Zigarettenmüll kann eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung des Menschen darstellen. Kippen werden aber auch zur ernstzunehmenden Bedrohung für Lebewesen, die mit diesen in direkten Kontakt kommen.

Kippen sind Sondermüll und bedrohen Umwelt, Tiere und Kinder

Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz regelt die Abfallentsorgung und somit auch die ordnungsgemäße Entsorgung von Zigarettenkippen. Ihr Wegwerfen ist eine illegale Entsorgung. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit Bußgeldern belegt werden. Dazu die Tierschutz- und Wildtier-Expertin Dr. K. Alexandra Dörnath, die die Tierarztpraxis Klein Mexiko und das Exoten-Kompetenz-Centrum leitet: „Es ist vollkommen unverständlich, weshalb das Wegwerfen von Zigarettenstummeln in die Umwelt bei uns eine gesellschaftliche Akzeptanz zu haben scheint. Kippen sind quasi Sondermüll. Sie gefährden unsere Umwelt, bedrohen Tiere wie auch Kinder und ihre Inhaltsstoffe reichern sich in unserer Nahrung, vom Fisch bis hin zum Gemüse, an. Das Wegwerfen dieses mit Chemikalien und, wenn ein Filter dabei ist, mit Plastik beladenen gefährlichen Mülls muss konsequent verfolgt und bestraft werden.“

Filter bringen Unmengen an Mikroplastik in die Umwelt

Rückstände von Zigarettenfiltern sind sogar in der Arktis nachgewiesen worden. In diesen Plastikfiltern sammeln sich die meisten Schadstoffe des Tabakrauches, insbesondere das Nervengift Nikotin, aber auch Arsen, Benzol, Blei, Formaldehyd. „Es dauert Jahrzehnte, eventuell Jahrhunderte, bis sich diese Filter zersetzen und dann als Mikroplastik die Gewässer belasten“, so Dörnath. „Fische, Meeresschildkröten und andere Tiere verwechseln Kippen mit Nahrung und können daran verenden – entweder durch diese Gifte oder durch einen Magendarmverschluss. Die Tiere verhungern mit gefülltem Magen“, zeigt sich die Wildtierärztin besorgt.
Die Zigarettenkippen belasten aber nicht nur die Gewässer: Auch Vögel nutzen die zerfaserten Filter zum Nestbau. „Ihre Gifte können sich negativ auf die Vogelgesundheit auswirken“, warnt die Wildtierärztin.

Die Expertin
Dr. Alexandra Dörnath aus der Tierarztpraxis Klein Mexiko  Foto: Bollmann

Raucher sollten ihre Kippen unbedingt umweltgerecht entsorgen

Im Jahre 2020 wurden in Deutschland 225 Millionen Euro für die Entfernung von Kippen aus dem öffentlichen Raum aufgewendet. „Dem Wegwerfen von Kippen muss der Kampf angesagt werden“, findet die Wildtierexpertin Dörnath. Wie etwa in Berlin, wo es mit bis zu 120 Euro geahndet werde. In Bremen sei dies mit 20 Euro deutlich weniger. Zudem solle auch die Zigarettenindustrie an den Kosten zur Beseitigung weggeworfener Kippen beteiligt werden, findet Dörnath. Es gebe Umweltaktionen zur Beseitigung weggeworfener Zigarettenstummel, wie etwa das „R(h)ein-Kippen“ im Vorfeld des Rhine-Clean-Up, an denen sich Freiwillige beteiligten. Ein ähnliches Vorgehen gibt es auch bei uns: den „Bremer Kippen-Marathon“. Dazu Dörnath: „Damit dies aber erst gar nicht nötig wird, mögen Raucher ihren Müll in Taschenaschenbechern entsorgen.“

Taschenaschenbecher (Taschenascher, Handascher) für die ordnungsgemäße Entsorgung von Asche und Zigarettenkippen. Foto: Monika Schröder auf Pixabay

Überreste von Zigaretten sind eine ökologische Belastung

Die Umweltschützerin fasst zusammen: „Insbesondere die Überreste von Zigaretten stellen eine hohe ökologische Belastung dar. Auch die Bundesregierung hat 2019 bei einer Kleinen Anfrage festgestellt, dass unsachgemäß entsorgte Zigarettenkippen aufgrund ihrer Schadstoffbelastung und ihres langsamen Abbaus in der Umwelt eine potenzielle Belastung für Mensch und Umwelt sind.“ Eine derartige Umweltsünde müsse also mit allen Mitteln verhindert werden.
■ Falls Ihnen ein Thema rund um einheimische Wildtiere und auch Exoten unter den Nägeln brennt, schreiben Sie uns an martin.bollmann@weserreport.de eine Mail.

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