Als detektivisch bezeichnet Doris Meyer ihre Arbeit als Codierassistenz oder Medical Controller im RKK (Rotes Kreuz Krankenhaus). Die Krankenschwester geht den Zahlen nach, sie sorgt dafür, dass das Krankenhaus alle Behandlungen und Untersuchungen abrechnen kann.
„Ich habe ein Faible für Zahlen und war selbst ganz überrascht, wie viel Spaß es mir macht“, schmunzelt Meyer. Denn begonnen hat sie als Krankenpflegeschülerin vor 44 Jahren am RKK.
Nach der Ausbildung und weiteren Stationen in der Rheumatologie, Gefäßchirurgie und im Wundmanagement erhielt Meyer die Chance, die Kodierung am Krankenhaus mit aufzubauen. Das war vor 20 Jahren. „Damals mussten die Assistenzärzte das noch machen und wir haben nur unterstützt“, erinnert sich Meyer.
Kleinteilig alle Kosten abbilden
Sie und ihre drei Kolleginnen erarbeiten die Grundlage zur Abrechnung für das Krankenhaus. Dabei müssen sie nach bestimmten Richtlinien und Regelwerken vorgehen. Das Abrechnungssystem für stationäre und teilstationäre Fälle basiert in Deutschland auf Diagnoseschlüsseln und -codes. So werden kleinteilig alle Kosten abgebildet und gegenüber den Krankenkassen geltend gemacht.
„Als medizinische Codierassistentinnen müssen wir uns an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten. Nach der Entlassung der Patientinnen und Patienten wird die Rechnung anhand aller Unterlagen erstellt“, erklärt Meyer.
Dazu werden Daten, wie etwa die Fieberkurve, Arztberichte und vieles mehr herangezogen.
Kassen können Rechnungen anzweifeln
Die Rechnung wird an die jeweilige Krankenkasse gestellt. „Diese kann durch ihren medizinischen Dienst die Plausibilität anzweifeln und überprüfen. Der medizinische Dienst fordert dann alle Unterlagen an“, sagt Meyer. Seit drei Jahren geht das digital.
Die Krankenkassen dürfen zehn Prozent der Fälle im Jahr anzweifeln. „Deshalb ist es enorm wichtig, dass wir alles genau abbilden. Wenn jemand zum Beispiel einen Tag länger bleibt als andere mit der gleichen Diagnose, muss das gut und richtig begründet werden“, sagt Meyer.
Lange Verweildauer in deutschen Krankenhäusern
Die Verweildauer sei übrigens der häufigste Beanstandungsgrund seitens des medizinischen Dienstes der Krankenkassen. „Im europäischen Vergleich liegen die Patientinnen und Patienten in Deutschland sehr lange in Krankenhäusern“, erklärt Meyer.
Häufig führen strukturelle Probleme außerhalb des Krankenhauses zu längeren Liegezeiten – vor allem wenige Pflege- und Kurzzeitpflegeplätze.
System entwickelt sich immer weiter
Meyer und ihre Kolleginnen, von denen zwei von der Intensivstation kommen, werden regelmäßig geschult und weitergebildet. „Es ist ein lernendes System“, sagt Meyer, denn auch Operationsmethoden verändern sich.
Auf der jeweiligen Station sind alle Kolleginnen und Kollegen angehalten, für jede Patientin und jeden Patienten genauestens die Bögen auszufüllen, die dann im Medical Controlling kontrolliert werden. Sie gehen schließlich weiter an ein externes Qualitätssicherungs-Institut.
Meyer berät aber auch das ärztliche Personal und ihre pflegerischen Kolleginnen und Kollegen in Sachen Dokumentation. „Für die Abrechnung ist es besonders wichtig, was, wie, wo und in welchem Setting passiert ist“, weiß Meyer.
Ihre Ausbildung und ihre Erfahrung im pflegerischen Bereich kommen Meyer bei ihren täglichen Aufgaben zugute. „Ich bin immer gerne in der stationären Pflege gewesen, vor allem in der Chirurgie. Dieser Job hier ist so spannend und vielseitig, weil er lebenslanges Lernen bedeutet. Das macht sehr viel Spaß“, sagt Meyer.
„Medizin ist für Menschen“
Der Blick verändere sich, wenn man aus der Pflege am Bett in die Codierung wechsele: „Man schaut auf das ganze Krankenhaus: Wie steht es da? Wo müssen wir hin? Man schärft den Blick für das Unternehmen“, sagt Meyer.
Aus ihrer Sicht sei ein Strukturwandel in Krankenhäusern notwendig, um kostendeckend arbeiten zu können. „Optimierungen sind möglich, zum Beispiel durch die Ambulantisierung“, ist sich Meyer sicher. Aber: Medizin sei für Menschen, nicht für Krankenkassen, sagt sie.
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