Plastikmüll hat sich längst zu einem der größten globalen Zivilisationsprobleme entwickelt. Abfall aus Kunststoff liegt überall in der Umwelt: sogar an den Polen und im Marianengraben. Wind und Regen bringen ihn in Flüsse und Bäche, die ihn schließlich ins Meer tragen. Dies hat gravierende Folgen: Jedes Jahr sterben unzählige Vögel, Schildkröten, Fische, Meeressäuger und andere Tiere durch Plastik. „Ozeanbewohner wie Meeresschildkröten und Delfine verwechseln Plastiktüten mit Quallen, fressen diese und verenden qualvoll aufgrund eines Magendarmverschlusses. Sie verhungern dann bei vollem Magen“, berichtet die Bremer Tierschutz- und Wildtier-Expertin Alexandra Dörnath, die die Tierarztpraxis Klein Mexiko und das Exoten-Kompetenz-Centrum leitet.
Der Plastikmüll löst eine weltweite Krise aus
Wie dramatisch diese weltweite durch Plastik ausgelöste Krise ist, zeigt eine Studie des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung am Alfred-Wegener-Institut. Ihre Zahlen sind erschütternd. Die UNO spricht sogar von einer „planetaren Krise“. Plastik schadet Tieren nicht nur durch das Verfangen in und der Aufnahme von Plastik, sondern auch durch seine toxische Wirkung.
18.000 Plastikteile pro Quadratkilometer im Meer
„Unsere Ozeane sind riesige Plastikmüll-Becken geworden“, konstatiert Dörnath. Global existieren fünf große Plastikmüllstrudel, die bereits 2018 viermal größer als Deutschland waren. Bis zu 18.000 Plastikteile treiben laut Nabu (Naturschutzbund Deutschland) pro Quadratkilometer auf der Meeresoberfläche. Unterschieden werden Makroplastik wie Plastikflaschen, welches 200 bis 500 Millimeter groß ist, Mesoplastik wie Schaumstoffkügelchen, das 5 bis 200 Millimeter bemisst sowie Mikroplastik, das aus kleinsten Plastikteilchen besteht und 0,0001 bis unter 5 Millimeter klein ist. Ganz kleines Mikroplastik heißt Nanoplastik.
An allen Stränden wird Plastik angespült. Hier: Bei einer durch „omhu“ organisierten Strandreinigung in Dänemark zusammengetragener Müll. Foto: Bollmann
Plastikmüll zerfällt in immer kleinere Teile
Die Wege von Kunststoffen in die Umwelt sind vielfältig und lassen sich nicht immer nachvollziehen. Eines aber ist sicher: Die dramatische Abfallverbreitung ist grenzenlos. An der Westküste Dänemarks, etwa in der Urlaubsregion bei Hvide Sande, halten Umweltschützer von „omhu“ den Strand sauber. Seit dem Jahre 2020 haben sie dort insgesamt 28.760 Kilogramm Strandmüll gesammelt. Aus diesem erschaffen sie Neues und schonen so Ressourcen. Angespülter Müll besteht nicht nur aus Fischernetz-Teilen oder Flaschen, auch die mittlerweile in der EU verbotenen Wattestäbchen aus Kunststoff werden, genau wie Kippen, zuhauf gefunden. Ein großer Anteil des aufgelesenen Plastikmülls ist bereits durch Sonne und Salzwasser in kleine Teile zerfallen.
Die Auswirkungen auf den Naturkreislauf sind verheerend
„Viel zu viel Kunststoff, meist Plastikverpackungen, wird einfach weggeworfen. Damit gelangt es in die Natur“, so Dörnath. „Makroplastik zerfällt nach und nach zu Mikroplastik. Dies hat verheerende Auswirkungen auf den Naturkreislauf, denn es stört biologische Prozesse“, weiß Dörnath. „Bei diesem Zerfall werden zudem Treibhausgase frei. Trifft Sonnenlicht auf bestimmtes Plastik, entsteht das besonders klimaschädliche Methan“, betont die Tierärztin. „Mikroplastik in den Meeren wird von Plankton aufgenommen, aber auch von Blauwal, Walhai, Flamingo, Hering und Muschel, die dies für Plankton halten“, zählt Dörnath auf.
„Phytoplankton ist ein Klimaschützer, denn es bindet als ,Wälder der Meere‘ Kohlendioxid. ,Plastik-Plankton‘ hingegen ist ein Öko-Killer. Diese winzigen Plastik-Partikel sind äußerst schädlich und verursachen riesige Probleme“, warnt die Tierärztin.
Die Expertin Dr. Alexandra Dörnath aus der Tierarztpraxis Klein Mexiko. Foto: Bollmann
Appell an die Wegwerf-Gesellschaft: Der Plastikmüll muss reduziert werden
„Plastikmüll muss deutlich reduziert werden und jeder von uns kann dazu beitragen“, fordert Dörnath. „Jeder von uns kann bevorzugt unverpackte Artikel, solche in Mehrwegverpackungen oder in durch den Hersteller für das Recycling optimierten Packungen kaufen“, macht sie deutlich. „Gemeinsam müssen wir gegen Plastik aller Größen vorgehen“, ruft Dörnath auf. Insbesondere das für das menschliche Auge nicht immer sichtbare Mikroplastik entstehe aber nicht nur durch den Einfluss von Sonne, Salzwasser und die Strömungsgewalt des Meeres, auch der Abrieb von Autoreifen, von Asphalt und selbst der von Turnschuhen bestehe aus Mikroplastik.
„Jeder kann Kosmetika ohne Mikroplastik nutzen. Jeder kann auf Einwegartikel wie Feuchttücher und Plastikgeschirr verzichten. Und jeder kann auf Kleidung verzichten, die beim Waschen Mikroplastik abgibt, wie dies die beliebten Vliesjacken tun“, betont die Umweltfreundin. Bei jedem Waschgang lösen sich hier mindestens 140.000 Mikrofasern von Polyesterkleidung und gelangen ins Abwasser. Gegen die klimaschädlichen Fasern gibt es zwar ,Guppy-Bags‘, die den Abrieb verhindern sollen, besser aber ist es, Kleidung zu nutzen, die keine Plastikfasern abgibt, und eben nicht mit dem Auto zum Briefkasten oder zum Bäcker zu fahren. Unsere Mitgeschöpfe und unsere Umwelt müssen uns dies wert sein“, appelliert Dörnath.
Falls Ihnen ein Thema rund um einheimische Wildtiere und auch Exoten unter den Nägeln brennt, schreiben Sie uns an martin.bollmann@weserreport.de eine Mail. mb