Tiere bezahlen das Vergnügen des Menschen mit ihrem Leben, wenn sie in Panik versuchen, vor Raketen und Böllern zu fliehen. Dieser Vogel kollidierte tödlich mit einer Fensterscheibe. Foto: Emilian Robert Vicol auf Pixabay
Wildtieren helfen

Für Tiere eine Nacht des Horrors

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Böller und Raketen bergen Gefahren. Tierleid wird in Kauf genommen. Tote Mitgeschöpfe zum neuen Jahr

Böller und Raketen sprengen bei Menschen Finger ab, verängstigen Haustiere und verursachen großes Leid bei Wildtieren. Zudem verschmutzen sie unsere Umwelt durch Feinstaub, Gase, Gifte und als Plastik- und Metallmüll.

Plötzliche grelle Lichtblitze, unerwartetes lautes Knallen und beißender Rauch gehört für viele Menschen zur Silvesternacht. Dies führt bei Tieren zu Leiden, Schäden und Schmerzen. Foto: Symbolbild, picjumbo.com auf Pixabay

Vielzahl verendeter Vögel am Neujahrstag

„Vögel sind vom Feuerwerk besonders betroffen. Ihr Leid wird allerdings kaum bemerkt“, betont die Wildtier-Expertin Alexandra Dörnath. „Radarbilder zeigen die Masse der an Silvester um Mitternacht durch das Feuerwerk erschrockenen Vögel, deren Nachtruhe abrupt durch Böller und Raketen unterbrochen wird. Sie fliegen panisch von ihren Schlafplätzen auf. Ihr Verhalten ähnelt einer Massenpanik von Menschen in einem vollen dunklen Theater“, so Dörnath. Die durch helles Licht und Rauchschwaden orientierungslosen Vögel stoßen gegen Bäume, Häuser, Fahrzeuge, Stromleitungen, aber auch gegeneinander. Dabei schlagen sie sich ihre Schädel ein und brechen ihre Genicke. „Vögel, die wegen des Silvester-Chaos für etwa eine Stunde alarmiert und in höherer Höhe als üblich fliegen, erleiden Stress und verbrauchen Energie in einer Zeit, in der Nahrung knapp ist. Die für den Winter dringend nötigen Fettreserven schwinden. Wenn sie das Ganze überleben, müssen sie noch einen sicheren Schlafplatz finden. Tagelang dauert die Erholung von ihrem Leid“, erklärt Dörnath.

Tiere leiden und sterben

Dass ganze Vogelschwärme infolge ihrer Panik an Silvester verenden, ist selten, kommt aber vor. Im Jahr 2021 starben in Rom durch Silvesterknallerei in Panik geratene Vögel, die in einem Schwarm durch die Stadt flogen, an Kollisionen. Und 2011 fielen im Ort Beebe in Arkansas in der Silvesternacht über 3.000 Amseln vom Himmel.
Im Dunkeln verborgen bleiben die vielen Individuen, die ihre Orientierung verlieren und dann einzeln verenden. „Auch Haustiere nehmen Reißaus und verunglücken, aufgeschreckte Rehe erleiden tödliche Traumata und Igel werden im Winterschlaf gestört“, so Dörnath. Der Deutsche Jagdverband (DJV) bittet daher, kein Feuerwerk an Waldrändern, in der Feldflur oder in Parkanlagen zu veranstalten.

Wildtiere wegen Raketen und Böllern auf der Flucht

Viele Wildtiere haben sich an Verkehrslärm und an Lichtverschmutzung nahe menschlichen Behausungen gewöhnt. Auch an Gewitter sind Wildtiere adaptiert – sie ziehen sich vorzeitig an einen sicheren Ort zurück. „Hingegen sind plötzlicher Böller-Lärm und unerwartete Raketen-Lichtblitze durch Tiere nicht einordenbar. Sie erschrecken und fliehen“, weiß Dörnath. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) betont, dass fliehenden Tieren Verletzungen, Erschöpfung und Fraß durch Beutegreifer drohen. Auch würden bei der Flucht Gruppenmitglieder auseinandergerissen, was sich auf den Fortpflanzungserfolg der jeweiligen Art auswirken kann. . In Rast- und Überwinterungsgebieten, wie den Wiesen an Wümme und Weser, fliegen die Vögel auf, oft in viel größere Höhen als üblich, nämlich in 500 bis 1000 Meter. Tiere auf der Flucht verbrauchen über die Maßen Energievorräte, die sie eigentlich bis in den kommenden Frühling versorgen sollen und die sie aufgrund des winterlichen Futtermangels bis dahin kaum wieder auffüllen können.

Menschengemachte Horrornacht

„Die Silvesternacht ist für viele Tiere die schlimmste Nacht des Jahres“, so Christoph Röttgers vom Naturschutzbund (Nabu) Bremen. In Nistkästen oder an anderen geschützten Stellen schlafende Meisen, Rotkehlchen und weitere Vögel sowie Fledermäuse, wachten schon durch einen einzelnen Knall auf. Das Land Bremen forderte vor wenigen Wochen im Bundesrat mehr Handlungsfreiheit für die Beschränkung von privatem Feuerwerk und stieß leider auf taube Ohren. Auch der Deutsche Tierschutzbund (DTB) und weitere Nichtregierungsorganisationen fordern, den privaten Kauf und Gebrauch von Pyrotechnik zu Silvester zu verbieten. Sie unterstützen damit die Kampagne „Böllerciao“ der Deutschen Umwelthilfe. Der DTB schlägt Böllerverbotszonen rund um tierhaltende Einrichtungen vor. Nach Ansicht des Nabu reichen einzelne Verbotszonen nicht aus, denn Wildtiere leben überall. Tierexpertin Dörnath geht mit ihrer Forderung weiter: „Wenn es nicht anders geht, muss Rücksicht angeordnet werden. Pyrotechnik muss insgesamt verboten werden.

Luftbelastung und Vermüllung

An Neujahr ist die Luftbelastung mit Feinstaub vielerorts so hoch wie sonst an keinem anderen Tag im Jahr, so das Umweltbundesamt. Oftmals wird der Grenzwert der Europäischen Union für Feinstaub überschritten. Auch der Müll ist ein Risiko für Tiere: Plastikkappen können einen Magendarmverschluss, Metallhülsen schlecht heilende Schnittwunden verursachen. Wird dieser Müll mit dem Regen fortgespült, belastet er Boden und Grundwasser, so der BUND. Daher sollten Reste des Feuerwerks schnell eingesammelt und entsorgt werden.

Tierschutzwidriger Brauch

„Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten erheblich zu stören“, betont Wildtierärztin Dörnath. Dies gelte für die freie Landschaft und den Siedlungsbereich. „Nach dem Tierschutzgesetz dürfen einem Tier Leiden, Schäden, Schmerzen nur mit vernünftigem Grund zugefügt werden“, fährt die Veterinärin fort. „Und dieser tierschutzwidrige Brauch stellt keinen vernünftigen Grund dar“, betont die Tierärztin.„Jedes Jahr wird also allein in Deutschland an Silvester millionenfach gegen Gesetze zum Schutz von Tieren und der Natur verstoßen“, so Dörnath. Die Tierärztin wünscht sich, dass diese Verstöße konsequent verfolgt werden. „Wer weiß schon, dass bei Wasservögeln bis in sieben Kilometer Entfernung eine Reaktion auf Feuerwerke beobachtet werden kann?“, fragt sie.

Neujahrsvorsatz: Gutes für die Umwelt

„Zudem leben in unserem Land durch Krieg traumatisierte Menschen, die durch Böllerei Flashbacks erleben können“, so Dörnath. „Diese ganze Knallerei, egal, ob an Silvester, zur Kirmes oder an Halloween, ist sinnlos, beängstigend und umweltschädlich“, bringt sie es auf den Punkt. „Wer den Neujahrsvorsatz hat, Gutes für die Umwelt zu tun, kann in der Silvesternacht damit beginnen und Rücksicht auf Tiere und Menschen nehmen und auf die archaische Knallerei verzichten“, appelliert die Wildtierexpertin Dörnath.

Die Expertin Dr. Alexandra Dörnath aus der Tierarztpraxis Klein Mexiko. Foto: Bollmann

■ Falls Ihnen ein Thema rund um einheimische Wildtiere und auch Exoten unter den Nägeln brennt, schreiben Sie uns an martin.bollmann@weserreport.de eine Mail.

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