Fast 1,9 Millionen Menschen litten im Herbst 2024 in Deutschland an einer Demenzerkrankung, berichtete das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Das sind mehr als zwei Prozent der Bevölkerung. Die bekannteste Form von Demenz ist Alzheimer, sie macht etwa zwei Drittel der Fälle aus. Zeit, über Wohnkonzepte für von Demenz betroffene Menschen nachzudenken, findet Erwin Bienewald. „Man kann ja in einer Pflegeeinrichtung die Leute nur abgeben“, sagt Bienewald. Er leitet die Stiftung Maribondo de Floresta, welche eine Villa des 2023 verstorbenen Worpsweder Architekten Berthold Koch erwarb. Dort sollen demente Familienmitglieder nicht „abgegeben“, sondern ihren Bedürfnissen entsprechend gepflegt und in Gemeinschaft alt werden können.
Noch wird die Immobilie umgebaut, ab Oktober soll sie einen Raum des Zusammenlebens für an Demenz Erkrankte bieten: Eine Wohngemeinschaft, nur, dass die Mitbewohner Demenz haben. Insgesamt bietet die Villa Platz für 12 Bewohner, sechs Mietverträge sind bereits abgeschlossen. Für Interessierte bietet die Stiftung Maribondo de Floresta jeden Sonntag Informationsveranstaltungen zum Projekt an. Diese finden jeweils von 14 bis 16 Uhr in der Galerie „Das Blaue Haus“ statt, Findorffstraße 9.
In der Demenz-WG sollen pflegende Angehörige – im Gegensatz zum Heim – die Möglichkeit haben, weiterhin mit ihren Lieben zusammenzuwohnen. Dafür gibt es einige Wohneinheiten, die ausreichend Platz für mehr als eine Person bieten. „Das war eigentlich die Ursprungsidee mit meiner Partnerin“, berichtet Bienewald – seine Partnerin ist selbst dement und wird in die WG einziehen. Lange suchte das Paar, doch sie fanden kein passendes Angebot. Jetzt schafft die Stiftung Maribondo selbst Fakten.
Günstiger als ein Pflegeheim sei der gewählte gemeinschaftliche Ansatz ebenfalls, berichtet Bienewald. Die Bewohnenden sollen die Möglichkeit haben, von Angehörigen oder von zwei angestellten Fachkräften versorgt zu werden. Gemeinschaftsbereiche, die allen Mietern zur Verfügung stehen, prägen den Wohngemeinschafts-Charakter des Hauses.
Konzept zur tiergestützten Arbeit mit Dementen
Doch die Wohngemeinschaft bietet den Bewohnern mehr als nur menschliche Gesellschaft: Das Außengelände beherbergt Schafe, Hühner, Esel und Pferde. Nicole Klein hat die Aufgabe, Tiere und Menschen in der WG zusammenzuführen. Erst im Oktober schloss sie ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft ab. Im dritten Lehrjahr sollte sie sich im Rahmen der Ausbildung überlegen, was sie in der Pflege ändern würden, wenn sie „Macht und Geld und so“ hätte. Klein erarbeitete gemeinsam mit ihrer Ausbildungsklasse ein Konzept für tiergestützte Arbeit mit Dementen auf einem Bauernhof – ein Konzept, das Klein auf dem Villagelände nun selbst realisieren darf. Der Vorstand der Bremer Heimstiftung, André Vater, stellte den Kontakt zwischen Klein und Bienewald her. „Ein bisschen wie im Film“, fühle sich diese Möglichkeit für sie an, berichtet Klein. Nicht nur die Menschen zu pflegen, sondern, wie sie es sagt, ihre „Ressourcen zu erhalten“, das ist Kleins Ziel. Viel zu häufig gebe es in Pflegeeinrichtungen „kein Leben mehr, nur ein Aufbewahren“. Dem möchte Klein durch ihren tiergestützten Förderansatz gezielt entgegenwirken.
Davon sollen nicht nur die künftigen Bewohner der Worpsweder Demenz-WG profitieren, sondern auch demente Heimbewohnerinnen und -bewohner aus dem Umland. Im Rahmen von Tagesausflügen möchten Klein und Bienewald ermöglichen, Besuch aus Pflegeeinrichtungen aus der Region in Worpswede zu empfangen und bei Bedarf auch abzuholen.
Finanziell unterstützt die Fernsehlotterie die Projektumsetzung. Hierzu gehört nicht nur die Durchführung des tiergestützten Wohnkonzepts, sondern auch dessen Auswertung. Innerhalb von drei Jahren sollen die Worpsweder Projektinitiatoren herausfinden, ob durch den Kontakt zu den Tieren Lebensfreude und -dauer von demenzkranken Menschen steigt. „Wenn das so ist, dann ist das ein Modell, das in anderen Bereichen, in Bayern oder Baden-Württemberg, funktionieren kann“, erklärt Bienewald. Je nach Erfolg des Programms könnte die WG somit auch überregional Maßstäbe setzen.






