„Ich kann vieles nicht, aber ich kann reden“, sagt Erika Groll. Geredet hat sie in den vergangenen 50 Jahren viel: Einmal pro Woche war sie im Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK) unterwegs, um als Vertreterin des kirchlichen Besuchsdiensts mit Patienten zu sprechen.
„Ich werbe nicht für die Kirche“, betont die 87-Jährige. Und trotzdem: Ihr religiöser Hintergrund unterscheide ihre Arbeit dann eben doch vom Besuchsdienst der Grünen Damen.
Länger im Dienst als Grüne Damen
Im Vergleich zu den Grünen Damen und Herren, die es am RKK erst seit 35 Jahren gibt, ist Erika Groll ein alter Hase. Als sie 1966 den Dienst antrat – ihre jüngste Tochter war gerade in die Schule gekommen – war vieles anders.
Gemeinsam mit einem Geistlichen der katholischen Propstgemeinde St. Johann, die für die Besuchsdienste im RKK zuständig war, erhielt Erika Groll damals noch Patientenlisten vom Krankenhaus. Besucht wurde, wer katholisch war. „Der Kaplan oder Pfarrer nahm die Männer und ich bin zu den Frauen gegangen.“
Patienten lagen früher in Sälen
Damals lagen die Patienten noch mit bis zu 16 Personen in großen Krankensälen. „Wenn man sich dort unterhalten hat, war alles ruhig und jeder konnte zuhören“, erinnert sich Erika Groll. „Da mag sich nicht jeder offenbaren.“
Die heute deutlich kleineren Zimmer machten ihre Arbeit aber auch nicht unbedingt leichter. „Sie sind ziemlich eng“, sagt die Neustädterin. Mithören sei auch dort nicht auszuschließen gewesen.
„Seine Meinung muss man bei sich behalten“
Gelegentlich sei es auch vorgekommen, dass Patienten Meinungen offenbarten, die Erika Groll nicht teilen konnte. „Seine Meinung muss man da bei sich behalten, sonst wird es ein Streitgespräch“, betont die Ehrenamtliche. Und das sei schließlich nicht das Ziel des Besuchsdiensts.
Gemeinsam lachen schon eher – aber das war manchmal nicht erlaubt. „Nach einer Gallen-OP lag man früher drei Wochen im Krankenhaus. Da durfte man keinen Witz machen, sonst mussten die Patienten lachen und hatten Schmerzen“, sagt die Ehrenamtliche augenzwinkernd.
In den vergangenen Jahren immer auf Station 5
Trotzdem sei ihr Humor ihr häufig eine Hilfe gewesen, um das Eis zwischen sich und den Fremden in den Krankenbetten zu brechen. „Wenn man im Krankenhaus liegt, ist das eine besondere Situation. Man kommt mit Dingen in Berührung, die einen aus der Bahn werfen“, sagt die 87-Jährige.
In den vergangenen Jahren war sie ausschließlich auf der Station 5, der Inneren Medizin, im Einsatz – weil gerade dort viele ältere Menschen liegen. „Mit denen bin ich auf gleicher Ebene“, sagt Erika Groll. „Ich kann sie verstehen.“
Nach 50 Jahren will sich die Seniorin nun intensiver um sich selbst kümmern und hängt das Ehrenamt an den Nagel. Nächste Woche wird sie von ihren Kollegen von der Klinikseelsorge verabschiedet. „Aber das Haus hier fehlt mir“, sagt Erika Groll.