Kommt es auf der Autobahn zu einem Unfall ist es absehbar, dass es auf der entgegengesetzten Fahrbahn zu einem Stau oder zumindest zu stockendem Verkehr kommt. Grund dafür sind Verkehrsteilnehmer, die aus dem Fahrzeug das Unfallgeschehen beobachten, langsamer fahren oder sogar zum Stillstand kommen, um zu fotografieren oder zu filmen.
„Dabei kommt es oft zu gefährlichen Situationen“, sagt Helge Cassens, Sprecher der Polizeinspektion Verden/Osterholz. Zwar sei die Gaffer-Problematik im ländlichen Raum „nicht so drastisch wie auf Autobahnen“, ärgerlich sei sie aber zweifelsohne.
Häufig Folgeunfälle durch Gaffer
Cassens, der selbst eine Zeit lang für die Autobahnpolizei tätig war, weiß aus Erfahrung, „dass es durch Gaffer häufig Folgeunfälle gibt. Das ist einfach eine Gefahr für den Verkehr.“
Für die Polizei gibt es nur wenige Möglichkeiten, auf die Schaulustigen zu reagieren. Beobachten die Beamten am Unfallort, wie jemand mit dem Handy oder Smartphone aus dem Auto ein Foto macht oder filmt, kann der Fahrer wegen Handynutzung am Steuer eine Anzeige bekommen.
Schaulustige steigen teilweise sogar extra aus
„Manche Leute steigen an Unfallstellen sogar aus dem Auto aus, um zu fotografieren. Dann können wir auch Platzverweise aussprechen oder jemanden notfalls in Gewahrsam nehmen“, erklärt der Polizeisprecher.
Problematisch sei zudem, dass die Einsatzkräfte in der Regel mit der Unfallaufnahme beschäftigt seien. „Da kann man kaum jemanden abstellen, um sich um die Schaulustigen zu kümmern.“
Innenminister empfindet Gaffen als „abstoßend“
Um Gaffer zukünftig härter bestrafen zu können, hat der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius im Mai eine Gesetzes-Initiative in den Bundesrat eingebracht. Er halte es für „geradezu abstoßend, wenn Menschen in Unfallnähe ihre Sensationsgier und Neugierde nicht zügeln können“.
In seiner Rede vor dem Rat betonte Pistorius, dass die Initiative im Interesse der Opfer ist, die Hilfe benötigen und deren Würde geschützt werden müsse. Der Entwurf sieht unter anderem einen ganz neuen Straftatbestand vor:
Freiheits- oder Geldstrafe für Schaulustige?
„Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe soll bestraft werden, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes behindert“, heißt es in der Vorlage.
Das bisherige Recht sieht nur eine Sanktion vor, wenn die Schaulustigen den Einsatzhelfern Gewalt androhen oder ausüben. Auch wer Bilder von verstorbenen Personen macht, die diese zur Schau stellen, soll bestraft werden.
Gaffen ist kein neues Phänomen
Gaffer seien kein vollkommen neues Phänomen, sagt Helge Cassens, der den Vorstoß des Innenministers für „richtig“ hält. „Ich bin dagegen, zu sagen, wir Menschen werden immer schlechter“, so der Polizeisprecher.
„Wir haben heute einfach andere technische Möglichkeiten. Ich glaube, wenn es in den 60er Jahren schon Smartphones gegeben hätte, hätten die Leute damals genauso gefilmt und fotografiert.“ Cassens betont aber auch, dass „von einem geringen Prozentsatz an Menschen zu sprechen ist, die überhaupt als Schaulustige bezeichnet werden müssen“.