Peter Schüre steht im Aufenthaltsraum und schaut aus dem Fenster. Er wirkt auf den ersten Blick wie ein ganz normaler Patient, der sich da in schwarzgelbem Trainingsanzug und dunkelblauen Badeschlappen die Zeit bis zur nächsten Behandlung vertreibt. Viele Tage wird er hier in der Urologie am Klinikum Bremen-Mitte nicht mehr bleiben müssen, bald schon darf er wieder nach Hause. „Ist nur eine Lappalie“, sagt Peter Schüre über den Grund für seinen aktuellen Krankenhausbesuch.
Eine Kleinigkeit, die ihn allerdings an genau den Ort zurückgeführt hat, an dem er sein Leben einst wieder ganz neu beginnen musste.
Denn vor 50 Jahren war der Mann aus Weyhe schon einmal Patient am Klinikum Bremen-Mitte. Und damals sollte dieser Ort für ihn 18 Monate lang zum Lebensmittelpunkt werden. Es ist das Jahr 1967, als sich für Peter Schüre alles ändert. In seinem Borgward fährt der damals 24-Jährige mit seiner Frau durch Brinkum. Zwei Wochen zuvor hatten die beiden erst geheiratet. Bald würden sie Nachwuchs bekommen, seine Frau ist mittlerweile im sechsten Monat schwanger.
Schädelbasisbruch, Kieferfraktur, Beinbrüche
Doch in dieses Glück platzt plötzlich das Schreckliche: Beim Abbiegen nimmt ein Lkw-Fahrer dem jungen Paar die Vorfahrt, die Fahrzeuge rauschen ineinander. „Meine Frau und mein Kind waren sofort tot“, sagt Schüre. Er selbst überlebt schwer verletzt, wird in die Klinik gebracht und wacht dort Tage später erst wieder auf. „Da habe ich mit etlichen Knochenbrüchen schon eine Woche im Koma gelegen.“
Jetzt, nach 50 Jahren, ist Peter Schüre wieder Patient im Klinikum Bremen-Mitte. Der aktuelle Krankenhausaufenthalt lässt bei Peter Schüre die Bilder von früher wieder aufblitzen. Ein kurzer Auszug aus der Liste seiner damaligen Verletzungen: Schädelbasisbruch, Kieferfraktur oben, Kieferfraktur unten, Beinbrüche, zertrümmerte Kniescheibe. „Es wäre einfacher aufzuzählen, was damals heile geblieben ist“, so Schüre.
Mehr als ein Dutzend große Operationen und etliche weitere Eingriffe musste er über sich ergehen lassen. Für ihn sei der Gang zum OP schnell Routine geworden. „Das war für mich so, wie andere morgens beim Bäcker Brötchen holen gehen“, sagt er.
Dazu kam noch der seelische Schmerz. Er musste erst einmal fassen können, dass seine Frau nun nicht mehr am Leben sein sollte. „Ich konnte sie nicht einmal selbst beerdigen“, sagt Schüre. Erst als er wieder halbwegs mobil war, konnte er im Rollstuhl ihr Grab besuchen.
Die schönen Momente bewusster erleben
Zu allem Leid musste er auch noch damit klarkommen, dass ihm vor Gericht damals zu Lasten gelegt wird, dass er – wie er erzählt – zwei oder fünf Kilometer pro Stunde zu schnell unterwegs gewesen sein soll. Ihm wird deshalb sogar eine Teilschuld an diese großen Unglück gegeben.
Doch Peter Schüre kämpft sich zurück ins Leben. Nach und nach funktioniert sein Körper wieder. Und auch sein Kopf kann mit den schrecklichen Tatsachen Stück für Stück besser umgehen. „Ein paar Jahre hat es schon gedauert, damit zurechtzukommen“, sagt er.
Fünf Jahre nach dem Unfall kann Peter Schüre wieder in seinen Beruf als selbstständiger Handwerksmeister zurückkehren. Er heiratet Jahre später ein zweites Mal, hat heute eine 39 Jahre alte Tochter, die den Familienbetrieb in Weyhe mittlerweile sogar übernommen hat. „Ich bin heute ein glücklicher Mann. Ich erlebe die schönen und gesunden Momente nun viel bewusster als früher“, sagt Schüre über sich.