Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch in der ersten Juli-Woche werden Nicole Campanelli und Axel Schmiech so schnell nicht mehr vergessen. Es war spät geworden, sie hatten noch lange gemütlich mit Kerstin Beyer zusammengesessen. Die Stimmung kippte gegen 1 Uhr nachts. „Plötzlich sagte Kerstin, dass ihre Hand ganz steif sei, dann klagte sie über Müdigkeit. Doch als sie aufstehen wollte, gelang ihr das nicht. Sie kippte ohnmächtig um“, erzählt Nicole Campanelli.
Die examinierte Altenpflegerin versuchte, ihre Freundin mit mäßigem Erfolg wieder auf die Beine zu bringen. „Sie war immer nur kurz bei Bewusstsein, dann wurde sie gleich wieder ohnmächtig. Und das mehrmals“, erinnert sich Campanelli. Sie rief die Großleitstelle in Oldenburg an. Doch dort reagierte man anders auf den Anruf, als sie erwartet hatte.
Der Vorwurf lautet Hilfeverweigerung
„Der Mitarbeiter in der Leitstelle ging gar nicht auf meinen Einwand der wiederholten Ohnmacht ein und dass er deshalb nicht mit Kerstin sprechen könne“, klagt Campanelli. Die Wortwahl und der Tonfall zwischen den Gesprächspartnern wurde hitziger und eskalierte, als der Mitarbeiter der Leitstelle mitteilte, keinen Krankenwagen schicken zu wollen, da man seinen Anordnungen zuerst Folge leisten müsse.
Auf Nachfrage bestätigt der stellvertretende Leiter der Großleitstelle, Hermann Hülskamp, den Vorfall. „Wir fragen alle Notrufe mittels eines speziellen Softwareprogramms ab. Die Fragen dienen dazu, um schnellstmöglich die Sachlage beziehungsweise das Krankheitsbild einzuschätzen und beurteilen zu können ob und welche erforderlichen Rettungskräfte entsendet werden müssen“, erklärt Hülskamp. Eine strukturierte Abfrage sei jedoch nur zielführend, wenn der Anrufer kooperativ die ihm gestellten Fragen beantworte, sich durch das Gespräch leiten lasse und es nicht vorzeitig unterbreche oder auflege.
Frau wird bewusstlos
„Wir waren fassungslos, dass man uns nicht helfen wollte“, sagt Axel Schmiech. Er und Campanelli sahen keine andere Möglichkeit, als die immer noch bewusstlose Frau ins Auto zu tragen und auf schnellstem Weg selber ins Josef-Hospital Delmenhorst zu bringen.
„Während der rund 20-minüten Fahrt kam Kerstin nicht wieder zu sich. Und auch als wir im Krankenhaus ankamen, war sie noch weggetreten“, sagt Schmiech Im JHD habe man endlich Hilfe bekommen. „Die Versorgung war vorbildlich“, ergänzt Campanelli. Das Personal führte unter anderem ein CT durch und untersuchte, ob eine neurologische Störung vorlag. Genau wie der Verdacht auf einen Schlaganfall, konnten die Äzte das ausschließen.
Unklares Krankheitsbild
Kerstin Beyer hat das Krankenhaus – auf eigenen Wunsch – zwar bereits am nächsten Tag wieder verlassen, der Grund für die Bewusstlosigkeit muss aber noch festgestellt werden. Ein möglicher Grund hierfür können neben Schlafmangel, auch Herzrhythmusstörungen sein. „Ich bin weiterhin in ärztlicher Behandlung“, bestätigt sie. Den Vorwurf einer Hilfeverweigerung weist man in Oldenburg ausdrücklich zurück.