Seit 100 Tagen führt Carl Zillich das Projektbüro Innenstadt Bremen. Zuvor leitete er die Internationale Bauausstellung Heidelberg. An der Universität Kassel und an der Columbia University in New York studierte er Architektur. Foto: Schlie
Interview

„Ich bin die Spinne im Netz“

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Wie Innenstadt-Koordinator Carl Zillich den Umbau der Bremer City vorantreiben will.

Weser Report: Herr Zillich, als Innenstadt-Koordinator sollen Sie auch zwischen den unterschiedlichen Akteuren moderieren. Haben Sie schon zwischen Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt und Stadtentwicklungssenatorin Maike Schaefer moderiert, die sich hinsichtlich der Entwicklung der City nicht immer einig sind?
Carl Zillich: Zwischen den beiden Senatorinnen musste ich nicht vermitteln, aber ich bringe beide Häuser auf neue Weise zusammen, beispielsweise bei der Entwicklung des Wall-Boulevards und des Domshofs. Ich versuche, die Spinne im Netz zu sein und den Fluss der Informationen zu beschleunigen.

Über eine Belebung des Domshofs wird schon lange diskutiert, grundsätzlich geändert hat sich nichts. Was wollen Sie jetzt bewirken?
Dass die unterschiedlichen Ansätze zusammenpassen und umgesetzt werden können. Es gibt gute Ideen für den Wochenmarkt, es geht um die Frage der Aufenthaltsqualität und um das geplante unterirdische Fahrrad-Parkhaus. Ich habe Termine mit den Eigentümern der Immobilien rund um den Domshof, um herauszuarbeiten, was man zusammen besser machen kann. Und am Wall geht es um die Aufwertung des Fußweges vor den Geschäften und für die Gastronomie.

Wie frei können Sie überhaupt arbeiten? An Ihrer Seite haben Sie als nebenberufliche Geschäftsführer den Staatsrat der Wirtschaftssenatorin und die Staatsrätin der Stadtentwicklungssenatorin. Über sich haben Sie einen Aufsichtsrat mit dem Bürgermeister und drei Senatoren.
Ich fühle mich nicht eingeengt. Tatsächlich habe ich so gute Gesprächspartner, die mich beraten, die aber auch dafür sorgen, dass die Verwaltung die Dinge umsetzen kann, die wir gemeinsam priorisieren. Wir haben ja kein Problem der Ideen, wir haben ein Problem der Umsetzung.

Schon 2018 gab es eine Ideen-Meisterschaft mit vielen Vorschlägen für die Entwicklung der City. Wie wollen Sie die Umsetzung vorantreiben?
Durch meine intensive Koordination. Ich habe aber auch die Aufgabe, Dinge neu zu denken. Außerdem möchte ich Akteure identifizieren, die wir noch nicht im Blick haben. Was können wir zum Beispiel Jugendlichen in der Innenstadt bieten? Bremer unterschiedlicher Milieus müssen die Innenstadt als Teil ihrer Identität und ihres Alltags begreifen können.

Welche Lehren aus Heidelberg, wo Sie zehn Jahre lang gearbeitet haben, ziehen Sie für Bremen?
Wir hatten in Heidelberg einen Projektaufruf, wo sich auch junge Leute beworben haben. Unter-30-Jährige haben wir zum Beispiel bei der Realisierung eines selbstverwalteten Wohnheims für Studierende mit Rat und Tat unterstützt, andere haben Begegnungsorte geschaffen. Die Frage war auch: Was haben Bildungseinrichtungen mit dem Alltag der Menschen zu tun, die in der Nachbarschaft arbeiten? Oder wie kann man mit Hochschulen, Wissenschaftsbehörde, Finanzbehörde und Stadtentwicklungsbehörde eine strategische Allianz formen?

Mit dem Aufstellen einer Surfanlage ist es wohl nicht getan?
Ich würde da nicht immer nach dem Staat rufen. Es geht auch darum: Welche Leute können sich die Innenstadt als Location für ihre Ideen vorstellen? Wie geht der Markt mit der Transformation der Innenstadt um? Der Betreiber einer Kletterhalle kann weniger Miete zahlen als ein Modefilialist. Eine ökonomische Rendite ist notwendig, aber auch eine ökologische und eine soziale.

Aber der Einzelhandel bleibt der Kern der City?
Ja, es geht jedoch vor allem darum, dass viele Menschen die Innenstadt beleben. Da ist es zweitrangig, ob sie sich dort nur treffen, arbeiten oder Geld ausgeben. Wichtig ist auch hier die Aufenthaltsqualität. Denn je länger sie sich hier aufhalten, desto besser für alle.

SPD und CDU schlagen einen Grünstreifen in der Obernstraße vor mit Spielplätzen und Bänken, allerdings soll die Straßenbahn raus. Eine gute Idee?
Nach 100 Tage im Amt lege ich mich da noch nicht fest, aber ich werbe darum, sich der Komplexität der Abwägung zu stellen. Wir müssen das Unbehagen über die Obernstraße und die Sehnsucht nach Orten zur freien Entfaltung und mehr Grün ernst nehmen, aber die Frage ist doch: Ist die Obernstraße das Problem? Und mit welchen Mitteln erzielt man wo welche Effekte? Das zu sortieren, steht auf meiner Agenda.

Und die Autos aus der Innenstadt verbannen?
Auch in der Frage bin ich Diplomat zwischen der Erreichbarkeit der Innenstadt und der Aufenthaltsqualität. Alle wichtigen Akteure in Bremen plädieren für eine im Ganzen autoarme Innenstadt. Das Parkhaus Mitte muss beispielsweise weichen, um mit der Knochenhauerstraße einen attraktiven Rundlauf zu etablieren. Parkhäuser wird es an den Randlagen der Innenstadt geben. Weniger Schneisen und mehr autofreie Quartiere brauchen wir, um die Innenstadt noch attraktiver für alle möglichen Nutzungen zu machen, auch fürs Wohnen.

Was heißt das für die Martinistraße?
Die hat großes Potenzial, nachdem Einigkeit herrscht, dass zwei Spuren grundsätzlich reichen. Dadurch wird die Weser besser an die City angebunden werden können. Ich will mich in die Debatten einbringen, wie öffentliche Räume und damit auch die Verkehrsräume in die Zukunft der Innenstadt einzahlen. Dabei geht es um mehr als die autogerechte oder eine fahrrradgerechte Stadt.

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