Sie stehen im Schrank und werden seit Jahrzehnten nur zu besonderen Anlässen herausgenommen und mit Vorsicht benutzt: die schönen Kristallgläser mit dem tollen Klang und das gute Porzellan.
„Vieles wurde bewahrt und immer geschont. Das war der damalige Zeitgeist“, sagt Ulla Siegert vom Unternehmen „Wert schaetzen“. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Christa Allen bewertet sie vor allem Kunstwerke und Antiquitäten, aber auch Glas und Porzellan für ihre Kunden.
Die beiden Fachfrauen beobachten, dass sich das vermeintlich wertvolle Geschirr und Glas heute aber kaum mehr weiterverkaufen lässt.
Auch Frederik Niemann vom Vintage-Möbelhaus Wedderbruuk bestätigt: „Früher hatte man das große Service für zwölf Personen.
Wissen wird nicht mehr weitergegeben
Heute wollen die Leute nicht mehr so viel haben. Weil es aber so viel Glas und Porzellan gibt, ist der Preis sehr günstig geworden.“
Er und seine Kollegen bieten beispielsweise kein großes Tafelgeschirr mehr an, weil es dafür keine Kunden gibt. Auch das Wissen um die Materialien und deren Pflege werde heute nicht mehr weitergegeben.
Niemann rät, Glas und Porzellan eher auf dem Flohmarkt zu verkaufen, wenn man sich davon trennen möchte. Der Markt für älteres Kristall und Porzellan sei eingebrochen sagt auch Siegert. Nur vollständige Sets der Manufakturen Meissen und KPM von vor 1800 seien noch gefragt.
Kunden von „Wert schaetzen“ suchen die Expertise von Allen und Siegert, wenn sie etwa den Nachlass der Eltern auflösen oder den eigenen Haushalt verkleinern wollen. Manchmal gehe es auch darum, schon zu Lebzeiten das Erbe gerecht zu verteilen. „Wir bewerten und begutachten.
Oft steht auch die Frage nach einem Verkauf im Raum. Dann geben wir Tipps dazu, zum Beispiel zu Auktionshäusern“, sagt Siegert. Ein Verkauf sei aber nicht immer sinnvoll: „Bei dem finanziellen Wert der Dinge müssen wir die Kunden auch mal enttäuschen“, sagt die Expertin.
Benutzen statt im Schrank lassen
Dann sei etwa ein neuer Rahmen für das immer als wertvoll angepriesene Gemälde eine gute Lösung, um sich im eigenen Haushalt weiter daran zu erfreuen.
In Sachen Porzellan und Kristallglas rät die Fachfrau, die Dinge nicht weiterhin im Schrank stehen zu lassen. „Benutzen ist das Beste. Und wenn mal ein Glas kaputt geht, ist es kein wahnsinniger Verlust.“
Nur bei Goldrändern an Geschirr und Glas müsse man bedenken, dass dieser in der Geschirrspülmaschine leidet und verloren geht.
Möglicherweise komme der Trend zum handwerklich sehr wertigen Kristallglas aber noch einmal wieder, vermutet Siegert.
Das beobachtet auch Niemann bei Wedderbruuk. Neuerdings besuchen vor allem junge Bremer Anfang 20 das Geschäft und erfreuen sich an den Kristallgläsern oder Kristallaschenbechern. Und daran, dass sie dafür keine hohen Summen bezahlen müssen.