Die Beschäftigung ist höher als vor der Corona-Krise, das Wirtschaftswachstum liegt voraussichtlich deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Es hätte schlechter laufen können für die Wirtschaft in Bremen im vergangenen Jahr. Schließlich war 2022 maßgeblich von den Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine geprägt.
„Die Sorge um die Energieversorgung, eine drohende Gasmangellage und die unkalkulierbare Preisentwicklung auf den Energiemärkten bestimmten für viele Unternehmen in Bremen und Bremerhaven das Tagesgeschäft“, skizzierte Eduard Dubbers-Albrecht, Präses der Handelskammer Bremen, die Situation vieler Unternehmen im vergangenen Jahr. Anlass war die Präsentation des Jahresberichtes der Kammer unter dem Titel „#GemeinsamWirtschaftStärken“.
Existenzielle Bedrohungslagen
„Das Jahr begann mit der Hoffnung auf das Ende der Pandemie, bevor im Februar durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ungeahnte neue Unsicherheiten auf die Unternehmen in Bremen und Bremerhaven zukamen. Die ungewisse Energieversorgung sowie massiv gestiegene Preise bei Energie und Material führten zum Teil sogar zu existenziellen Bedrohungslagen in der bremischen Wirtschaft“, sagte der Präses.
Dubbers-Albrecht betonte: „Bei all den Herausforderungen der aktuellen Zeit sehen wir in der Energiekrise für den Nordwesten auch große Chancen, die wir nutzen müssen. Denn die Küstenländer sind für die Offshore-Windenergie und die Wasserstoffwirtschaft wichtige Knotenpunkte. Die Nähe zu verfügbarer Energie wird immer mehr zu einem entscheidenden Standort- und Wettbewerbsvorteil, den wir ausspielen können und müssen. Die IHK Nord hat dafür den Slogan ´Come to where the power is` geprägt.“
Leistungsorientierung an den Schulen
Nicht nur mit Blick auf die bevorstehende Bürgerschaftswahl am 14. Mai forderte Dubbers-Albrecht von der Bremer Politik, die richtigen Schritte zu unternehmen, um Bremen und Bremerhaven bei den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen bestmöglich zu unterstützen. Dabei nannte er die fünf zentralen Themenfelder: Bildung, Gewerbeflächenentwicklung, Hafenentwicklung, Innenstädte und Klimaschutz.
Im Bereich Bildung forderte Dubbers-Albrecht eine stärkere Leistungsorientierung in der Schule. Bremen müsse sich an Hamburg ein Beispiel nehmen, wo es durch gezielte Sprachförderung und unabhängiges Qualitätsmanagement gelungen sei, die hinteren Plätze im bundesweiten Vergleich zu verlassen.
Klares Nein zum Ausbildungsfonds
Dem geplanten Ausbildungsfonds erteilte er erneut eine klare Absage: „Die Wirtschaft braucht kein Geld aus dem Fonds und auch keine Maßnahmen, sondern ausbildungsreife Jugendliche.“
Im Bereich Gewerbeflächenentwicklung erinnerte Dubbers-Albrecht daran, dass die im Entwicklungsprogramm 2030 vorgesehene Dispositionsreserve von 100 Hektar noch nicht erreicht sei. „Wir müssen Flächen anbieten, um attraktiv zu bleiben“, erklärte er und warb für Kooperationen in der Region.
Fehlende Aufbruchstimmung in der Bremer City
Die Sanierung der der Stromkaje in Bremerhaven bezeichnete der Präses als Muss, um im internationalen Hafenwettbewerb mithalten zu können. Daneben solle sich der Senat dafür einsetzen, dass zwischen Brake und Bremerhaven die notwendigen Anpassungsmaßnahmen (sprich Vertiefungen) an der Weser vorgenommen werden, auch wenn die Entscheidung darüber außerhalb von Bremen falle.
Für die Bremer Innenstadt monierte Dubbers-Albrecht „fehlende Aufbruchstimmung“. Die Fortschritte am privat finanzierten Balgequartier genügten nicht. Die City müsse auch nach einem Abriss des Parkhauses Mitte erreichbar bleiben. Zur Straßenbahnführung durch die Obernstraße forderte er eine Machbarkeitsstudie. Dabei sollten nicht nur die Status-Quo-Variante und die Verlegung in die Martinistraße in Betracht gezogen werden, sondern auch die Option einer Streckenführung durch die Neustadt, inklusive des bekannten Sanierungsbedarfs der Weserbrücken.
Klimafonds löst Unbehagen aus
Auch der vom Senat gewünschte Klimafonds in Höhe von 2,5 Milliarden Euro löst bei der Handelskammer Unbehagen aus. „Unsere Sorge ist, dass das Geld dann doch für konsumtive Zwecke ausgegeben wird“, sagte Dubbers-Albrecht. Stattdessen solle der Senat aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen projektbezogen prüfen, ob einzelne investive Maßnahmen sinnvoll erscheinen, um sie außerhalb des Haushalts zu finanzieren, etwa die Umstellung des Bremer Stahlwerks auf Wasserstoff-Technik, die Absorbierung von CO2 aus der Müllverbrennung oder die Umstellung von Hafenanlagen.