Für viele langjährige Patientinnen und Patienten kommt es überraschend: Ihre langjährige Arztpraxis des Vertrauens beendet ihre Tätigkeit als Kassenärzte. Warum gehen Ärzte diesen Schritt und was ist jetzt bei der Suche nach einer neuen Praxis zu bedenken?
Den Schritt, nur noch Privatpatienten zu versorgen, erklärt die Kassenärztliche Vereinigung (KVN) wie folgt: „Ärztinnen und Ärzte haben einen enormen Versorgungsdruck mittlerweile. Viele Krankenhäuser schließen, immer weniger Ärztinnen und Ärzte arbeiteten gerade auch im hausärztlichen Bereich. Die Zeitdruck ist enorm. So hat ein Hausarzt im Durchschnitt sieben Minuten Zeit für seine Patienten, da der Zulauf in den Praxen zu hoch ist.“
Unbezahlte Verwaltung und Patientenversorgung
Einen weiteren ausschlaggebenden Punkt sieht die KVN in der Telematikinfrastruktur. Die elektronische Gesundheitsakte, das E-Rezept, die E-Patientenakte: Darauf hätten viele ältere Ärzte keine Lust. „Und die Honorar-Budgetierung vieler Fachgruppen durch die Krankenkassen führt immer wieder dazu, dass man als niedergelassener Kassenarzt Gefahr läuft, umsonst zu arbeiten“, sagt Detlef Haffke, Leiter der Stabsabteilung Kommunikation und Information der KVN. Kassenärzte werden pauschal bezahlt. Das Budgetvolumen liegt durchschnittlich bei 70 Euro pro Patient und Quartal (drei Monate). Ist dieses vor Ablauf des Quartals erreicht, behandelt der Arzt weiter, ohne dafür mehr Geld zu bekommen.
Hoher Versorgungsgrad
„Uns ist bekannt, dass es in Delmenhorst leider eine ganze Reihe unbesetzte Hausarztsitze gibt. Wir sehen mit großer Beunruhigung und Sorge, dass es im ländlichen Raum an vielen Stellen nicht nur an Hausärztinnen und -ärzten, sondern auch an Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten fehlt“, sagt Marion Charlotte Renneberg, Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Laut der KVN gibt es keinen Ärztemangel in der Stadt Delmenhorst. „Der ist gesetzlich definiert. Bei Hausärzten liegt er bei einem Versorgungsgrad von 75 Prozent, bei Fachärzten bei 50 Prozent.Der Versorgungsgrad in Delmenhorst beträgt 97,7 Prozent“, sagt Haffke. Das könnte sich in den nächsten Jahrzehnten jedoch ändern. „Der Altersdurchschnitt der niedersächsischen Ärztinnen und Ärzte liegt bei rund 55 Jahren. In den kommenden zehn bis 20 Jahren werden rund ein Drittel aller Ärzte aus dem Berufsleben ausscheiden. Ob diese Lücke geschlossen werden kann, ist fraglich“, sagt Haffke. „Derzeit gehen jedes Jahr in Niedersachsen rund 1.000 Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand und nur 500 frisch approbierte Ärztinnen und Ärzte rücken nach“, weiß Renneberg. Die Ärztekammer fordert als Lösung eine Aufstockung der Studienmöglichkeiten in der Humanmedizin um 200 Plätze.
Was beim Hausarztwechsel zu beachten ist
Diejenigen Kassenpatienten, die sich umorientieren müssen oder den Hausarzt wechseln wollen, müssen jetzt zwei Dinge beachten. Am besten ist die Behandlung abgeschlossen. Zudem muss die Krankenakte dem neuen Arzt übermittelt werden. Es ist auch möglich, sich eine Kopie der eigenen Krankenakte aushändigen zu lassen. Bei der Suche nach einer neuen Praxis kann die Krankenkasse helfen. Alternativ gibt es online die Arztsuche, beispielsweise über gesund.bund.de, arztauskunft-niedersachsen.de oder telefonisch unter 116117.