Rund 21.000 Bremer mit türkischem Hintergrund oder türkischer Staatsbürgerschaft leben laut statistischem Landesamt in Bremen. Der Putschversuch vom 15. Juli beschäftigt auch sie, bestätigen die Bürgerschaftsabgeordneten Cindi Tuncel (Linke) und Mustafa Öztürk (Grüne).
Beide haben türkische Wurzeln, Tuncel gehört der Minderheit der Jesiden an. „Ich bekomme Droh-Mails von IS-nahen Leuten oder türkischen Nationalisten“, sagt er. Tuncel erzählt, die Menschen in seinem Umfeld hätten Angst.
„Das wird jeden Tag schlimmer es herrscht eine andere Atmosphäre“, so Tuncel. Türken, die sich für Menschenrechte in ihrer Heimat einsetzen, würden angefeindet, auch Minderheiten wie Kurden oder Aleviten würden angegriffen.
„Niemand möchte in die falsche Ecke gestellt werden“
Von einem Klima der Angst will Öztürk nicht sprechen. „Aber die Menschen sind verunsichert“, sagt der Abgeordnete. „Es herrscht dicke Luft und Misstrauen seit dem Putschversuch, der für uns alle ein extremes Erlebnis war“, sagt Öztürk.
„Es gibt für viele Türken nur noch Erdogan-Befürworter oder Erdogan-Gegner, in der Diskussion fehlt es an den Zwischentönen“, beschreibt er die Situation. „Ich setze mich dafür ein, zu vermitteln“, sagt Öztürk.
Der Putsch und die unterschiedlichen Meinungen darüber, berge die Gefahr Familien oder Nachbarn voneinander zu entzweien. „Bremen ist aber klein, wir können hier miteinander reden“, so Öztürk. Er nehme wahr, dass die Menschen vorsichtiger geworden seien, ihre Meinung zu äußern. „Niemand möchte in die falsche Ecke gestellt werden.“
Gülen: „Werden in den sozialen Medien angegriffen“
Vorsichtig geworden seien Menschen auch mit der Gülen-Bewegung. „Viele Leute haben ihre Kinder aus unseren Nachhilfekursen abgemeldet oder zahlen Vereinsbeiträge nicht mehr“, sagt Mehmet Ünal, von der Gülen-nahen Stiftung Forum Dialog.
Dabei verurteile auch die Gülen-Bewegung den Putsch. „Dennoch wird in den Moscheen der DITIB-Gemeinde in Huckelriede von den Imamen gegen uns gehetzt, sie bezeichnen uns als Terroristen“, so Ünal. Zu physischen Übergriffen sei es noch nicht gekommen, „aber wir sind verbalen Angriffen bei Facebook und anderen sozialen Medien ausgesetzt“, sagt Ünal.
Verfassungsschutz: Keine Auseinandersetzung unter Türken
In die Türkei reisen wolle er erstmal nicht, aus Angst, verhaftet zu werden. Die Gülen-Bewegung folgt ihrem Anführer Fethullah Gülen, der in Amerika lebt. Sie verstehen ihren Islam als weltoffen, engagieren sich für Bildung. Kritiker bezeichnen sie als Sekte.
Der Bremer Verfassungsschutz beobachtet die Gülen-Bewegung nicht. Auch Auseinandersetzungen zwischen türkischen Nationalisten und anders denkenden hat er bisher nicht beobachtet. Man sei aber wachsam, heißt es aus dem Ressort.