Die Amtsleiterin der Ausländerbehörde Bettina Scharrelmann erklärt im Interview, warum 89 Afghanen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben. Foto: Schlie Die Amtsleiterin der Ausländerbehörde, Bettina Scharrelmann, erklärt im Interview, warum 89 Afghanen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben. Foto: Schlie
Interview

Ausländerbehörde: „Afghanen wären ohnehin hier“

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Interne Dokumente haben offenbart: Mitarbeiter im Stadtamt sollten afghanischen Staatsbürgern kurzfristig Aufenthaltserlaubnisse erteilen. Amtsleiterin Bettina Scharrelmann erklärt im Interview, warum.

von Sonja Niemann und Laura Bohlmann

Weser Report: Ein Mitarbeiter Ihrer Behörde hat interne Dokumente weitergegeben. Wie gehen Sie damit um?

Scharrelmann: Ich bin darüber verärgert. Das ist ein Dienstvergehen, das wir prüfen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Weitergabe einen politischen Hintergrund hatte. Die persönliche Meinung hat bei unserer Arbeit aber keine Rolle zu spielen. Deshalb gibt es bei heiklen Fällen das Vier-Augen-Prinzip, besondere Einzefallentscheidungen trifft kein Mitarbeiter alleine.

Sie haben erklärt, die kurzfristige Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen war nötig, weil die Ausländerbehörde wegen der vielen Flüchtlinge im Rückstand war.

Ja, wir hatten uns die Gruppe der Afghanen schon länger nicht mehr angeschaut, weil wir vor allem mit Aufenthaltserlaubnissen für Syrer und mit den Aufenthaltsbeendigungen für die Menschen vom West-Balkan beschäftigt waren. Im Spätherbst hatten wir wieder etwas Luft und ich habe aus Effizienzgründen entschieden, diese Gruppe in den Fokus zu nehmen, weil die Lage in Afghanistan relativ klar ist. Wir haben viele neue Mitarbeiter. Damit die wissen, wie mit der Gruppe der Afghanen umzugehen ist, gab es eine Anweisung.

Wie gehen Sie denn mit Afghanistan um?

In Bremen ist man der Auffassung, dass die Sicherheitslage dort schwierig ist. Das haben der Bürgermeister und der Innensenator jetzt noch einmal bekräftigt. Wir bekommen regelmäßige Lageberichte dazu. In Afghanistan gibt es seit Jahren eine Sondersituation, deshalb schieben wir nicht ab.

Im Zuge der Sonderaktion haben 89 Afghanen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Was ist der Unterschied zur Duldung?

Geduldet werden Menschen, bei denen der Aufenthaltsstatus nicht klar ist, deren Identität nicht geklärt ist, weil sie keinen Pass besitzen oder die schwer krank sind. Ein Großteil der Afghanen hat kein Asyl beantragt. Sie sind nach Deutschland eingereist und haben dann geäußert, dass sie bleiben wollen. Sie werden erstmal geduldet. Afghanen kommen in Bremen für eine Aufenthaltserlaubnis nach §25 Absatz 5, also aus humanitären Gründen, in Frage. Diese Erlaubnis gilt für sechs Monate, dann wird neu geschaut.

Warum belässt man es dann nicht bei der Duldung?

Jeder Mensch hat einen Anspruch auf den bestmöglichen Status. Wer geduldet ist, hat es schwerer, Arbeit zu finden, weil der Arbeitsvertrag von uns und der Bundesagentur für Arbeit geprüft wird. Mit der Aufenthaltserlaubnis darf gearbeitet werden. Das entlastet auch den Bremer Haushalt. Ob mit Duldung oder Aufenthaltserlaubnis: Die Afghanen wären ohnehin hier. Deshalb schauen wir, was für beide Seiten die beste Lösung ist.

Was passiert mit den 65 Afghanen die keine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben?

Laufende Strafverfahren verhindern die Aufenthaltserlaubnis, und auch wenn wir die Identität nicht klären können, bleibt es bei der Duldung.
Ändert sich mit dem Aufenthaltsstatus der Anspruch auf Sozialleistungen?

Menschen mit Duldung bekommen Sozialleistungen. Auch mit einer Aufenthaltserlaubnis ist das möglich. Allerdings kann diese entzogen werden, wenn wir den Eindruck haben, dass der Betroffene nicht arbeiten will.

Inwiefern beeinflusst der politische Wille Ihre Entscheidungen?

Wir halten uns daran, was politisch von der Regierung gewollt ist. Berichterstattung oder der Wille einzelner Parteien, kann nicht unsere Handlungsprämisse sein.

Hintergrund: 

In Bremer Politikerkreisen kursierten am Mittwoch interne Dokumente der Ausländerbehörde. Dabei handelt es sich um eine E-Mail und eine Dienstanweisung, wie für die „Sonderaktion Afghanistan“ vorgegangen werden soll. Die Dokumente sorgten für Diskussion, weil einzelne Passagen laut CDU darauf schließen ließen, dass geltendes Recht zu stark interpretiert worden sei und keine Sicherheitsprüfungen gemacht wurden. Die Linken hingegen begrüßten die Linie der Ausländerbehörde, aus humanitären Gründen Aufenthaltserlaubnisse für Afghanen zu erteilen. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) betonte in einer Stellungnahme, dass nicht nach ideologischen Gesichtspunkten entschieden werde.  

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