Lothar Neimke und sein Buch „Bauen und mehr – aus dem Leben eines Bremer Architekten“. Foto: Schlie Lothar Neimke und sein Buch „Bauen und mehr – aus dem Leben eines Bremer Architekten“. Foto: Schlie
Interview

„Schneckenhaus“-Schöpfer im Schnack

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Architekt Lothar Neimke, Schöpfer des Schwachhauser „Schneckenhauses“ und des Almata-Hochhauses, hat ein Buch verfasst. Im Interview erzählt er über Bremer Stadtplanung, Bestechlichkeit und den Erhalt alter Häuser.

Weser Report: Herr Neimke, dass Sie Architekt wurden, war ein Stück weit Zufall…

Neimke: Ja, mein Vater hatte mich 1954 als schlechten Schüler soeben von der Schule genommen. Eigentlich hatte ich den Gedanken, in den Buchhandel zu gehen. Aber ich wusste nicht, wie – da fiel mir stattdessen eben ein, dass ich gern Architekt werden würde. Sonst hätte sicher mein Vater, ein begeisterter Ingenieur, sich etwas für mich ausgedacht.

Es folgte aber nicht gleich die Architektenschule.

Ich hatte kein Abitur und brauchte eine abgeschlossene Lehre. Unser Nachbar war Bauunternehmer, bei ihm wurde ich Maurerlehrling. Trotz meiner dünnen Finger, die das Arbeitsamt nicht mochte, habe ich die drei Jahre durchgehalten. Ich lernte dort eine ganz andere Bevölkerungsschicht kennen – ich war nämlich der erste Handwerker aus meiner behüteten Akademikerfamilie. Die ruppige, aber herzliche Art, auf der Arbeit trinken, morgens um 5 Uhr aufstehen, und vor allem auch Plattdeutsch – das musste ich alles erst mal lernen.

War die Lehre vor der eigentlichen Schule verlorene Zeit?

Nein, überhaupt nicht! Man kann sagen, dass mich diese drei Jahre mein ganzes Berufsleben begleitet haben. Als ich viele Jahre später Bau-Sachverständiger vor Gericht war – da hatte ich schon lange als Architekt gearbeitet – glaubten Richter und Anwälte meinen Gutachten immer mehr, wenn ich einstreute, dass ich gelernter Maurer bin.

Nach Ihrer Architekten-Schulzeit waren Sie schnell Planer bei großen Baugesellschaften. Sie sollten da ein sechsstöckiges Haus in Walle planen…

Ja, daraus wurde dann das 18-stöckige Almata-Hochhaus. Mein Vorgesetzter bei der Beamten-Baugesellschaft (BBG) wollte soviele Wohnungen wie möglich – und ich hatte gute Kontakte zu gleichaltrigen Stadtplanern… Man brauchte damals unendlich viele Wohnungen. Menschenmengen waren aus dem Osten geflüchtet und wollten alle langsam was eigenes.

Über Beziehungen schien in der Bauplanung einiges zu laufen…

Stimmt. Der BBG wurde damals ein Grundstück am Riensberg angeboten. Ich plante ein schneckenförmiges Gebäude mit 64 kleinen Wohnungen. Das war nur möglich, weil behördliche Gönner dort ein besonderes Gebäude sehen wollten. Das Haus steht dort, wo die Hochstraße „Horner Spange“ hätte entstehen sollen – die war damit nicht mehr möglich.
Manchmal war ich aber vielleicht auch ein wenig spröde, was das Nutzen von Kontakten anging. Mir wurde indirekt auch mal vorgeworfen, ich würde Beamten nicht genug spendieren – man hatte in den Ausgabe-Büchern gestochert. Heute ist das zum Glück anders. Da wird streng und langfristig nach festen Kriterien vergeben.

Vom Wohnungsbau im großen Stil kamen Sie zu einem ganz anderen Bereich.

Im Viertel wurde damals nichts mehr investiert, Häuser verfielen und wurden besetzt. Dort war die Mozarttrasse geplant, die Gebäude sollten alle weg. Als es dabei zur politischen Kehrtwende kam, musste plötzlich viel Wohnraum wiederhergestellt werden. Ich als selbständiger Architekt durfte dann das Haus an der Osterstraße 6 für die Deutsch-Polnische-Gesellschaft wieder behutsam aufbauen. Vielleicht hat man mir das zugetraut, weil ich gelernter Maurer war.

In beidem waren Sie ein wenig Pionier, im sozialen Wohnungsbau und im Erhalt von alten Baustrukturen. Was hat Ihnen mehr Spaß gemacht?

Ich hab schon wahnsinnig gerne alte Häuser gemacht. Ich denk da etwa an die Domsheide 8 – ein altes Haus, das ich innen zum Bürogebäude für eine Anwaltssozietät modernisiert habe. Da hab ich mit dem zuständigen Denkmalspfleger ganz, ganz eng zusammengearbeitet. Heute wird leider wieder mehr abgerissen – wenn ich nur überlege, wie viele alte Häuser in den vergangenen drei Jahren in Schwachhausen verschwunden sind…

Lothar Neimke, geboren 1935, hat nach einer Maurerlehre seit den frühen 60ern in Bremen als Bauingenieur und Bauplaner gearbeitet. Unter anderem hat er das Almata-Hochhaus geplant, und ab den 80er Jahren viele Altbauten in Bremens Mitte saniert. Sein Buch „Bauen und mehr – aus dem Leben eines Bremer Architekten“ ist im Selbstverlag erschienen.

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