Seit Anfang April wähnen sich vier Anwohner wie in einem schlechten Film. Sie alle bekamen Post aus dem Rathaus mit dem Hinweis, dass ihnen eine neue Anschrift zugeordnet wurde. Grund dafür ist eine geplante zusätzliche Bebauung auf dem bisherigen Grundstück „Nutzhorner Straße 107“.
„Durch diese zusätzliche Bebauung ist es notwendig, Ihrem Grundstück Nutzhorner Straße 105A zukünftig die Bezeichnung Nutzhorner Straße 104 B zuzuordnen“, zitiert die Hausbesitzerin Ingrid Sauer aus dem Schreiben der Stadt. „Wir waren völlig fassungslos. Immerhin befindet sich unser Haus auf dem selben Grundstück wie die 105. Wie soll man uns zukünftig noch finden? Man guckt nach der 104B doch nicht hinter dem Haus 105?“, klagt sie. „Wie ein schlechter Aprilscherz fühlt es sich an“, ergänzt ihr ebenfalls betroffener Nachbar Axel Kreuzer.
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Sowohl Familie Sauer als auch Familie Kreuzer zogen vor 16 Jahren in ihre Häuser ein – und bekamen die Hausnummern von der Stadt zugewiesen. „Die Hausnummer ist kein individueller Besitz des Grundstückinhabers. Nach Paragraf 126 Absatz 3 des Baugesetzbuches hat der Eigentümer die gesetzliche Pflicht, die von der Stadt festgelegte Nummer anzubringen“, teilt Timo Frers, Pressesprecher der Stadt Delmenhorst auf Nachfrage mit. Er bestätigt, dass der Fachdienst Stadtplanung im Bereich der Nutzhorner Straße 103 bis 107 die bestehenden Hausnummern ändert.
„Warum bekommt der Neubau nicht einfach die 107 A und alles bleibt wie bisher?“, fragt Ingrid Sauer. Die Stadt verweist auf das Berliner System: „Für die Reihenfolge der Hausnummern ist die Lage des Eingangs beziehungsweise der Zufahrt entscheidend. In dem Bereich zwischen den Hausnummern 103 bis 107 wurden jeweils die zurückliegenden Gebäude stattdessen mit der A- beziehungsweise B-Nummer des Vordergrundstücks versehen. Richtig wäre die Vergabe nach der Lage der Zufahrt, zum Beispiel zwischen 103 und 104 mit 103A“, erklärt Frers.
Zusätzliche Bebauung war der Auslöser für neue Hausnummern
„Wir sind vor 16 Jahren in unser Haus eingezogen. Und einer unserer Nachbarn wohnt bereits 40 Jahre in seinem Haus. Da gewöhnt man sich doch an eine Hausnummer“, betont Karl-Heinz Sauer. Seine Frau gibt zu bedenken, dass sie ihre Hausnummer damals nicht selber ausgesucht haben, sondern von der Stadt zugewiesen bekommen haben. Woher sollten wir wissen, dass das falsch gewesen sein soll?“
Axel Kreuzer ärgert auch die Begründung der Stadt, dass die Nummernneuvergabe der Sicherheit dienen soll. „Die Stadt behauptet, dass unsere Adresse durch die neue Hausnummer im Rettungsfall leichter gefunden wird. Das ist doch Blödsinn“, sagt er.
Nummernneuvergabe soll der Sicherheit dienen
„Die Verwendung eines bestimmten Systems zur Vergabe von Hausnummern ist für die Leitstelle nicht relevant“, erklärt Hermann Hülskamp, stellvertretender Leiter der Großleitstelle in Oldenburg. Im Leitrechner sei jede Hausnummer mit einer Koordinate hinterlegt. Diese nutze man für die Bestimmung des Einsatzortes und übermittle sie auf die Navigationsgeräte der Einsatzkräfte.
„Wir haben in der Regel keine Probleme beim Auffinden von Adressen, wenn der Anrufer weiß wo er sich befindet und dies auch äußern kann. Grundsätzlich werden die Anrufer aber immer darauf hingewiesen, sich für die anrückenden Kräfte bemerkbar zu machen. Zum Beispiel durch das Postieren von Personen zur Einweisung, das Öffnen von Eingangstüren, das Einschalten der Außenbeleuchtung“, erklärt Hülskamp.
Neue Hausnummern müssen 15 Zentimeter hoch sein
Doch damit nicht genug, stören sich die vier betroffenen Hauseigentümer auch an der Höhe der neuen Nummer. „Sie muss auch noch 15 Zentimeter hoch sein. Es ist allerdings gar nicht so einfach so hohe Ziffern im Fachhandel zu bekommen. Und wenn, sind sie sehr teuer. Unsere bisherige Ziffer ist zwölf Zentimeter hoch“, sagt Karl-Heinz Sauer. Die neue müsse über der alten Nummer angebracht werden. Die alte Ziffer solle sechs Monate lang darunter hängen bleiben, allerdings solle diese Nummer rot durchgestrichen werden.
„Im Fachausschuss für Planen, Bauen und Verkehr ist politisch entschieden worden, dass die Stadt bei einer Hausnummernänderung pauschal 50 Euro zahlt oder der nachgewiesene Aufwand vergütet wird. Andere Städte sind nicht so kulant. Kosten für die Änderung amtlicher Papiere wie Personalausweis, Pass oder Kfz-Schein entstehen nicht“, teilt der Stadtsprecher mit. Freiberufler und Gewerbebetriebe bekommen gegen einen Nachweis ihre tatsächlich entstandenen Auslagen zurück. „Den zeitlichen Aufwand erstattet uns niemand“, klagt Kreuzer.
Die Stadt gibt zu bedenken, dass sich durch die Bebauung rückwärtiger und heutiger Gartenflächen Hausnummern laufend und zunehmend ändern werden.