Senatorin Claudia Bogedan spricht im Interview über Schulschwänzer, Berufsschulen und Junglehrerinnen. Foto: Schlie Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) zum Lehrermangel: „Das größte Problem ist für uns dabei: Auf die Festanstellung folgt häufig die Schwangerschaft.“ Foto: Schlie
Interview

Bildungssenatorin: „Rund 300 Bußgeldbescheide“

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Senatorin Claudia Bogedan spricht im Interview über Schulschwänzer, Berufsschulen und Junglehrerinnen.

Weser Report: Frau Bogedan, da mit Beginn der Sommerferien die Reisepreise steigen, melden manche Eltern ihre Kinder an den letzten Schultagen krank und verreisen schon vor dem offiziellen Ferienbeginn. Wie viele Schüler schwänzen in Bremen die Schule?

Claudia Bogedan: Das ist nicht das große Thema, dass einer einen Tag fehlt. Das große Thema ist, wenn Schüler eine lange Zeit nicht zur Schule gehen. Die Schulen melden diese Schülerinnen und Schüler den Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren, die dann mit ihnen arbeiten. Aber wir haben in den vergangenen beiden Jahren auch rund 300 Bußgeldbescheide wegen Schulschwänzens verschickt. Die Erziehungsberechtigten müssen dann 1.000 Euro zahlen.

Die SPD-Fraktion hat beantragt, dass die Gehälter der Grundschullehrer von der Stufe A 12 auf die Stufe A 13 angehoben werden, also um rund 500 Euro im Monat. Wann ist es so weit?

Es gibt dazu noch keinen Beschluss. Aber ich habe große Sympathie für diese Forderung. Brandenburg beginnt damit am 1. Januar 2019. Wegen der Haushaltsnotlage sollte Bremen nicht als erstes Bundesland damit anfangen, aber wir sollten auch nicht die Letzten sein. Es gilt, die Abwanderung von Lehrkräften in andere Bundesländer zu verhindern.

Wie viele Lehrer bildet Bremen denn aus?

Wir haben über das Jahr gerechnet 600 Referendare, also angehende Lehrkräfte. Ob das ausreicht, hängt von weiteren Fluktuationen ab, die ich im Moment nicht absehen kann. Das größte Problem für uns ist dabei: Auf die Festanstellung folgt häufig die Schwangerschaft. Man besetzt also eine Stelle, die Schulleitung macht einen Haken dran, und kurz darauf teilt die Junglehrerin mit, sie sei schwanger.

Und dann?

Viele Schwangere werden dann von den Ärzten sehr schnell krankgeschrieben, so dass diese Kräfte uns sehr kurzfristig fehlen. Offenbar verträgt es sich nicht, schwanger zu sein und mit Kindern zu arbeiten. Es gibt auch gerechtfertigte gesundheitliche Gründe, darüber müssen wir nicht reden. Aber es wird in einem Umfang krankgeschrieben, der mich als Feministin ärgert. Denn wir haben lange dafür gekämpft, dass Schwangerschaft eben nicht als Krankheit betrachtet wird.

In bundesweiten Tests schneiden Bremens Schüler häufig schlecht ab, gleichzeitig gewinnen einige Schüler Wettbewerbe wie „Jugend forscht“. Wie wollen Sie die Kluft zwischen schlechten Schulen und guten schließen?

Die Schlussfolgerung ist falsch. Bei uns ist der Anteil an Schülerinnen und Schülern, die Unterstützungsbedarf haben, im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr hoch. Unter allen deutschen Großstädten hat Bremen den höchsten Anteil an Kindern aus armen Familien.

Daraus folgt?

Wenn ein Kind hinter der Startlinie mit dem Laufen beginnen muss, dann läuft es bis zum Ziel mehr als die Kinder, die tatsächlich auf der Startlinie starten. So ähnlich ist es auch, wenn Kinder in die Schule kommen und zuvor noch nicht so viele soziale Kompetenzen sammeln konnten. Deshalb geht es im Moment darum, mehr Lernzeit zur Verfügung zu stellen. Das heißt unter anderem: Kita-Plätze, Kita-Plätze, Kita-Plätze.

Sind Sie für eine Kita-Pflicht?

Davon sind wir in Deutschland aus rechtlichen Gründern ganz weit entfernt.

Handwerker beklagen sich über das unzureichende Niveau von Schulabgängern. Wie sollen die Schulen hier nachbessern?

Die Unternehmen haben heute andere Erwartungen an Schulabgänger als früher. Den 14-jährigen Stift, der früher mitlaufen durfte und den Kaffeebecher gehalten hat, den gibt es nicht mehr. Wer im ersten Lehrjahr ist, muss heute schon mitmachen können.

Wie können Sie den Handwerksbetrieben helfen?

Wenn die Betriebe Schulabgänger einstellen, die Unterstützung brauchen, können wir einen vierten Berufsschultag oder einen zusätzlichen Nachmittag mit Förderangeboten und ausbildungsbegleitende Hilfen anbieten.

Notwendig ist auch eine bessere Ausstattung der Bremer Berufsschulen, fordern die Unternehmen.

Die Berufsschule für den Groß- und Außenhandel beispielsweise zieht in drei Jahren in ein neues Gebäude in der Überseestadt. Dort machen wir auch einen qualitativen Sprung zu neuen Lernformen. Sie zeigt, wie eine moderne Berufsschule im 21. Jahrhundert aussieht, und soll eine Blaupause sein für andere Berufsschulen. Bis Ende des Jahres wird es einen Standortplan für Berufsschulen geben, der zeigt, wie wir uns die weitere Entwicklung vorstellen. Ziel ist es, weniger, dafür größere und modernere Berufsschulstandorte zu haben.

Wer mit Kindern in ein anderes Bundesland zieht, hat oft Probleme, da die Schulsysteme sehr unterschiedlich sind. Wann gibt es eine Angleichung?

Für Bremen sage ich: Finger weg von einer bundesweiten Vereinheitlichung der Schulsysteme. Wir haben hier vor zehn Jahren eine Schulstruktur aufgebaut, von der Wissenschaftler sagen, sie sei richtig und soll nicht verändert werden. Aber Bremen beteiligt sich an einer besseren Vergleichbarkeit der Abschlüsse, zusammen mit anderen Bundesländern gestalten wir ein gemeinsames Abitur. Aber ich möchte kein bayerisch zergliedertes Schulsystem in Bremen haben und schon gar kein hessisches.

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