Weser Report: Herr Platz, was haben die Bremer gegen Hochhäuser? Sobald solch ein Bau in Erwägung gezogen wird, ertönt ein Aufschrei.
Oliver Platz: Ich vermute, dass vor allem die künftigen Nachbarn eines geplanten Hochhauses befürchten, dass dann zu viele Menschen dort wohnen werden. Einige sind auch gegen Hochhäuser, weil sie jede Änderung in ihrem Umfeld ablehnen. Es gibt aber auch viele negative Beispiele für den verfehlten Bau von Hochhäusern. Die Grundstruktur, die DNA Bremens, ist das Reihenhaus: das Bremer Haus. Wenn man die Identität der Stadt fortschreiben will, dann ist ein Hochhaus erst einmal nicht der Baustein. Aber das heißt nicht, dass eine zukunftsorientierte Stadt nicht auch neue Bausteine zulässt.
Die Hochhaus-Pläne des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind für den Brill haben Sie aber abgelehnt.
Bevor die Pläne vorgelegt wurden, hatte es ja schon ein Werkstattverfahren gegeben, in dem mit öffentlicher Beteiligung Ideen ausgearbeitet wurden. Und dann kommt der Investor mit einem Stararchitekten und will in dem Komplex fast die doppelte Bruttogeschossfläche unterbringen. Es gibt die Chance, für den Brill eine bessere Lösung zu entwickeln.
Bremen versteht sich als wachsende Stadt und will mehr Einwohner gewinnen. Ist das Bremer Haus da noch die beste Lösung?
Wenn man die Bremer Häuser so dicht baut wie in Findorf, dann entsteht schon eine beeindruckende Zahl an Einwohnern je Quadratkilometer. Das muss ein Hochhaus erst einmal leisten. Das Bremer Haus ist zwar weiterhin ein wesentlicher Baustein, aber es ist nur ein Baustein von vielen Bausteinen, die wir heute brauchen. Ein Stadt braucht auch Geschosswohnungsbau und durchmischte Gebäude.
Aufgrund des Klimawandels setzen mehr Investoren auf neue Baumaterialien. Welche Zukunft hat das Holzhaus oder das Hybridhaus aus Holz und Beton?
Dass künftig fast alles aus Holz gebaut wird, kann ich mir nicht vorstellen. Trotzdem tasten wir uns in Bremen jetzt so langsam an den Holzbau heran. Im Ellener Hof entstehen ja auch Bremer Häuser mit Holzelementen. Und am 11. November machen wir unseren ersten Bremer Holzbautag.
Wie verändern sich die Wohnungen?
Im Moment bauen wir ja alle sehr klar definierte Wohnungen, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Das heißt: Ein Raum ist schon so gebaut, dass er sich praktisch nur als Schlafzimmer eignet. Die Anordnung der Steckdosen gibt schon vor, wo das Bett stehen muss. Klar ist auch, welcher Raum Kinderzimmer werden soll und wo Schrank und Tisch stehen müssen. Wenn wir Räume bauen, die weniger definiert sind, können wir die Gebäude auch vielseitiger nutzen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie lange genutzt werden können.
Wer in Bremen baut, ist verpflichtet, eine bestimmte Anzahl an Stellplätzen einzurichten. Das will der neue Senat ändern. Was muss geschehen?
Hamburg und Berlin haben mit dem Verzicht auf die Stellplatz-Pflicht gute Erfahrungen gemacht, wie Studien belegen. Solch eine Verpflichtung ist nicht mehr zeitgemäß. Die Mobilität der Zukunft sollte anders organisiert werden.
Und wer keinen Stellplatz baut, muss dann auch keinen Ausgleich mehr an die Stadt zahlen wie bisher?
Das ist ein Punkt, warum es die Pflicht in Bremen noch gibt. Wir müssen nicht nur die Stadtplaner vom Verzicht überzeugen, sondern auch die Haushaltspolitiker. Die Abschaffung der Stellplatzpflicht in Hamburg oder Berlin hat übrigens nicht dazu geführt, dass keine Stellplätze mehr gebaut werden.
Die City steht vor einem großen Wandel, bei dem auch die Architekten gefragt sind. Worauf kommt es an?
Wir haben Kurt Zech, der das Parkhaus Mitte gekauft hat und dem die Karstadt-Immobilie gehört. Er muss jetzt handeln. Das ist das alles Entscheidende. Christian Jacobs hat mit seinem Bau in der Obernstraße gut vorgelegt. Das Haus kann Vorbild sein, architektonisch und städtebaulich. Es ist aber nicht das zentrale Element. Wir haben den Marktplatz und den Brill, der hoffentlich ein Magnet wird, und dazwischen die Zech-Welt. Die Innenstadt braucht mehrere Funktionen: Shopping-Erlebnis, Cafés, Restaurants und öffentliche Plätze, um zu sehen und gesehen zu werden. Außerdem müssen in der Innenstadt wieder Leute wohnen können.
Wie sieht Bremen in 50 Jahren aus?
Wir können alle nicht einschätzen, wie sich die Mobilität entwickeln wird. Es gibt Stimmen, die sagen, in 20, 30 oder 50 Jahren haben wir nur noch 20 Prozent der Autos, die heute da sind. Dann bräuchten wir weniger Parkraum und deutlich weniger Verkehrsfläche. Und wenn diese Mobilitätsvision nicht eintritt, muss die Stadt auch funktionieren. Und wie begegnen wir dem Klimawandel mit Starkregen und großer Sommerhitze? All das wird die Stadt grundlegend verändern. Ich wünsche mir für die Zukunft mehr Familien in Bremen. Wenn wir das Kernthema Bildung in den Griff bekommen, gute Leute einstellen, gute Schulen bauen und bestehende sanieren, dann werden die Leute erkennen, dass es sich in Bremen extrem gut leben lässt.
Findorff. Der Stadtteil aus dem „FF“
Der Präsident der Architektenkammer favorisiert die Bauweise, wie sie in Findorff vorherrscht. So verschroben, wie viele seiner Einwohner, ist auch die Bauweise der vielen kleinen Reihenhäuser und Reihenhäuser im Stile des „Bremer Hauses“ im vorwiegend aus Altbestand aus Vorkriegs- und Nachkriegszeiten bestehenden Bebauung im Stadtteil. Wobei man sich bei den Einfamilienhäusern, die nach dem Krieg und den Bombenangriffen auf Findorff zu großen Teilen aus noch brauchbaren Steinen aus dem Schutt wieder aufgebaut worden sind. Der Stadtteil Findorff, der zwischen Hafen und Bahnhof liegt wurde deshalb aus zwei Gründen mit bombadiert. Erstens, war die Positionsbestimmung von lohnendn Zielen damals nicht einfach aus der Luft. Zumal, da der Bahnhof aus der Luft für die alliierten Angreifer nicht erkennbar war und mit einem rieseigen, bemalten Tuch, als Autobahn getarnt worden ist. Den Fliegern blieb nichts übrig. Sie ließen in der Gegend, die ihnen die Karte vorgab, in der sie aber einen Bahnhof als solchen nicht zu erkennen vermochten, ihren Bombenhagel ab und zerstörten in Bahnhofsnähe, ganze Wohnstraßen. Noch heute sind auch wegen der damals noch fehlenden Präzisionszieleinrichtungen für hochtechnisierte Waffen, viele Blindgänger deshalb noch im Bürgerparkalljährlich zu finden und zu entschärfen. Wie viele unter der Erde der Bremer Bürgerweide liegen, die ebenfalls zu Findorff gehört, traute sich bislang kein Mensch zu hinterfragen.
Das „Bremer Haus“, das dort beispielsweise im Wohnquartier rund um die Regensburger Straße oder die Münchener Straße steht, gründet in der Regel auf Pfählen, die mittlerweile vergammelt sind. Fußwege und Straßen bieten ein gekrümmt anzuschauendes Profilbild, weil dort die Erde absackt. Auch die Vorgärten in den kleinen Straßen, die von der Nürnberger Straße, kurz vor dem Sportplatz abgehen, haben eine keine guten Baugrund vermuten lassende Krümmung aufzuweisen. Sind die Haustüren über Treppen zu erreichen, müssen diese zumeist angepasst werden. Man hört von Hausbesitzern, dass der Niveauunterschied auf Grund von Absackungen des Treppenpodestes für die Außentreppe, aus der Hauswand herausgebrochen ist. Danach stand die Treppe mit einem bis zu 25 cm großen Abstand zum Sockel der Haustür ab und einem bis zu 30 cm betragenden Unterschied beim Höhenniveau zu ihr.
Das mangelnde Kanalsystem hat zunächst zum Absacken der Fahrbahn unter dem maroden Kanal, danach zu einer Baustelle auch in der Findorffstraße geführt, die über drei Jahre betrieben worden ist und gerade fertig gestellt wurde. In den Straßen rund um die Hemmstraße, bis hin zur Bürgerweide, kommt es in den kommenden Jahren zu einer solchen Problematik absehbar ebenso. Denn längst nicht alle Straßen sind diesbezüglich saniert. Einige zwischen Hemmstraße und Münchener Straße aber auch solche, die von der Findorffstraße zur Winterstraße führen wie auch solche, die zwischen Admiralstraße und Bahndamm liegen, weisen sogar noch Kopfsteinpflaster auf. Seit Jahrzehnten sind sie Rund und die darunter liegenden Kanäle stinken oftmals schon. Vor sechs Jahren sackten hier, in der Borgfelder Straße, drei Mehrfamilienhäuser aus dem Bestand der ESPABAU ab. Ein Jahr zuvor, in der Straße Utbremer Ring, zwei Mehrfamilienhäuser der Gewoba.
Die Wohngebiete zwischen Eickedorfer Straße und Utbremer Ring, die bei den Anliegern von Einfamilienhäusern überwiegend auch mit Kopfstein gepflasterter Straßen mit ebensolchen unüblichen Erscheinungen die Straßendecke angehend liegend, sind zum Teil ebenso auf alten und vermutlich mehr oder weniger maroden Eichen gegründet, wie auch die Häuser in der Neukirchstraße. Die gerade frisch sanierten Häuser der ESPABAU, insbesondere die, die direkt am Weidedamm zwischen Grundschule und Utbremer Ring stehen, wiesen schon kurz nach der Sanierung wieder erhebliche Setzrisse auf. Wie es bei den vielen Einfamilienhäusern zwischen Weidedamm/Grundschule und Utbremer Ring, in der Fläche bis zur Dresdener Straße aussieht, beispielsweise im Hause des Innensenators, oder den am Torfkanal und dahinter bis zur Hemmstraße entlang des Bahndammes gelegenen Bebauungen der Wohngebiete Weidedamm I – III mittlerweile aussieht, kann man sich vorstellen.
Das „Bremer Treppen-Haus“ ist völlig unzeitgemäß und wird zumeist in jungen Jahren gekauft, zu einem Zeitpunkt, zu dem man noch bereit ist, auf der Treppe zu leben und jedes Geräusch vom Nachbarn zu ignorieren. Spätestens mit dem Rentenalter verlässt man es wieder, da das Leben, das zu Hause nur Treppauf und Treppab geht und vom ewigen Lärm aus dem Nachbarhaus, dass gerade an die nächste Generation weitergeben oder an eine junge Familie verkauft worden ist, allein schon aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu bewältigen oder auszuhalten ist.
Von Ideenwettbewerben, wie sie beispielsweise auch regelmäßig zu Projekten, wie dem Am Brill, von den Studierenden der personell wie inhaltlich und sonst auch schlecht ausgestatteten Architekturstudiengänge der Hochschule Bremen veranstaltet und im Ergebnis zur Prämierung öffentlich präsentiert werden, kann Bremen nicht leben. Ideenlosigkeit schlägt sich dort noch immer im vorgegebenen Denken a la Alvar Aalto oder Mies van der Rohe, in wissenschaftlich veralteten Betondimensionen nieder.
Für das dritte Jahrtausend fehlt es in Bremen immer noch an ausreichender Vielfalt und zukunftsgerechter Innovation bei der städtebaulichen Planung. Ein großer Anteil der Bevölkerung lebt alleinstehend. Und es werden immer mehr Menschen, die diesen Lebensweg bevorzugen. Planungen und Integrationen von freistehenden, ausreichend großen Singlehäusern, mit Platz für Übernachtungsgäste, zum Kochen, Essen, Arbeiten zu Hause, Wohnen und Schlafen, einem begrüntem Flachdach und Garage auf kleinen Grundstücken sollte das besondere Interesse der Zukunft bei den Architekten gewidmet sein. Allerdings weniger derer, die als Absolventen der hiesigen, einschlägigen Studiengänge, die städtebaulich und -planerisch nur an die Planung von Betonburgen und deren in Beton gegossenes Umfeld herangeführt worden sind. Oder – als für die Region als kreativ besonders wichtiges Highlight: Bauen von futuristischen Bauwerken in den Hochalpen- studiert haben.