Bremens Top-3-Museen positionieren sich gerade reizvoll divers und bundesweit beispielhaft mit ihrer Ausstellungspolitik. Die Weserburg lässt Andrea Bowers für ihre heraufordernd kecke Werkschau „Light and gravity“ die Schnittfläche von Aktivismus und Kunst auch lokalpolitisch erkunden. Die Kunsthalle brilliert mit ihrer „Ikonen“-Inszenierung in leergeräumten Sälen, die das gesamte Haus neu erfahren lassen. Jetzt eröffnet das Übersee-Museum mit „Spurensuche“ die wohl wichtigste Ausstellung seiner Geschichte.
Mit der eigenen Geschichte auseinander gesetzt
Offensiv kritisch aufgearbeitet wird die Historie dieses hansestädtischen Horts der Natur-, Völker- und Handelskunde mit 624 Exponaten – beginnend mit der Gründung in der Hochzeit des Kolonialismus als Schaumuseum weltweit eingesammelter Kunst-, Kult- und Alltagsgegenstände, ausgestopfter Tiere in exotischen Landschaften und Völkerschau-Bildern mit Puppen, die rassistische Klischees überseeischer Kulturen repräsentieren.
Es folgte die Zeit des Nationalsozialismus, in der das Haus mit einer Rassekundeschau und Kolonialismus-Werbung zu Propagandazwecken genutzt wurde.
Der Dino ist zurück
Darüber hinaus gibt es ein Wiedersehen mit Publikumslieblingen der Vergangenheit wie dem Dino-Skelett, einem Kolonialwarenladen, Indianer-Statuen und dem Südseehaus. An das einstige Aquarium erinnert leider nur eine billige Installation mit Plastikfisch.
Gesamtkosten der Ausstellung: 663.000 Euro, 250.000 Euro sind Drittmittel. Denn besonders wichtig bei der „Spurensuche“ ist die derzeit durch Stiftungen gut geförderte Provenienzforschung.
Woher stammen die Exponate?
Aktuell sind vier Wissenschaftler vor Ort, die untersuchen, woher, wie und zu welchem Preis die 1,2 Millionen Sammlungsstücke ins Museum kamen. Laut Direktorin Wiebke Ahrndt ist alles dabei – von fair eingekauft über getauscht, geschenkt, betrügerisch erworben, enteignet bis gestohlen.
Beispielhaft verdeutlicht wird, welche Rolle als Sammler und Auftraggeber dabei die Museumsmitarbeiter spielten – wie auch die Bremer Kaufleute, Reedereien, das Militär, Missionare, Ethnografika- und Naturalienenhändler. Klar wird auch, dass entsprechende Recherchen immer wieder in Sackgassen münden.
Bis heute konnte beispielsweise nicht geklärt werden, woher eine namibische Sammlung stammt, die 1909, ein Jahr nach dem Genozid an den Herero durch ein deutsches Marine-Expeditionskorps, nach Bremen kam. Ahrndt: „Wir finden selten einfache Antworten, meist neue Fragen.“ Und geben sie an die Besucher weiter. Vorbildlich.
von Jens Fischer
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