Bernd Windmüller führt ehrenamtlich durch die Ausstellung. Foto: Füller Bernd Windmüller führt ehrenamtlich durch die Ausstellung. Foto: Füller
Aufarbeitung

Akten lebendig werden lassen

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Eine Wanderausstellung rekonstruiert das Leben im Heim im Nationalsozialismus.

„Wie konnte das passieren und warum hat sich niemand gewehrt?“ Diese Frage stelle er sich jedes Mal, wenn er durch die Ausstellung führe, sagt Bernd Windmüller. „Denn bin ich unter das Jugenamt gekommen“ – unter dem ungewöhnlichen Titel läuft eine Wanderausstellung des Diakonischen Werks Bremen.

Sie zeigt den Alltag und die Heimerziehung von Jugendlichen in Bremen zwischen 1933 und 1945. Derzeit gastiert die Ausstellung in der Wilhelm-Kaisen-Oberschule in Huckelriede. „Die Schüler sind ergriffen“, berichtet Schulleiter Oliver Seipke.

Schüler in die Arbeit eingebunden

Im Auftrag des Diakonischen Werkes entwickelte die Kulturwissenschaftlerin Gerda Engelbracht das Ausstellungskonzept.

Die Biografien der Jugendlichen zeigen die dramatischen, zum Teil tödlichen Folgen der Aussonderung aus der „Volksgemeinschaft“: die Zwangssterilisationen, die Deportation in Jugendkonzentrationslager und Einrichtungen der Euthanasie-Aktionen.

An einer Hörstation haben Schüler der Albert-Einstein-Oberschule Originalbriefe der Mädchen und Jungen an Eltern oder Freunde vertont und den Jugendlichen so eine Stimme gegeben.

„Die Briefe wurden in den Akten gefunden, sie wurden also nie abgeschickt“, erklärt Windmüller, der ehrenamtlich für das Diakonische Werk und die Denkorte-Initiative arbeitet.

Briefe als Zeugnisse

Die Ausstellung arbeitet mit Zitaten. Der Titel etwa ist ein solches. Helmut Bödeker schrieb diesen Satz in einem seiner Briefe. Die Zitate zeigen aber auch, wie Heimleitungen, Jugendamt und Mitarbeiter über die Schicksale der Jugendlichen entschieden.

„Sichten und Sieben“ war das Motto, die Folgen konnten zum Tode führen. Die Zitate sind zudem Zeugnis dessen, was die Jugendlichen empfanden und in Einrichtungen wie dem Ellener Hof und dem Marthasheim, aber auch in außerbremischen Einrichtungen erleben mussten.

Aktenwirklichkeit

Fotos, die in den Archiven gefunden wurden sowie in einzelnen Akten vorhanden waren, geben den Mädchen und Jungen Gesichter. „Die Ausstellung basiert auf einer Aktenwirklichkeit“, sagt Windmüller, langjähriger Leiter des Isenbergheims.

Dieses diente bis in die 1970er Jahre hinein als Erziehungsheim für Mädchen, seit 1980 betreibt der Verein für Innere Mission im heutigen Haus Isenberg eine Langzeitwohneinrichtung für ältere, vorgealterte und chronisch suchtkranke Männer.

Was aus der Geschichte gelernt?

Alle Biografien seien besonders, auch wenn manchmal nur wenig aus den Akten hervor geht. Die Ausstellung regt zum Nachdenken an: „Was haben wir aus der Geschichte gelernt? Wie ist es möglich, dass heute wieder einzelne Gruppen stigmatisiert werden?“, fragt Horst Otto von der Denkorte-Initiative.

Gefördert wird die Ausstellung durch das Diakonische Werk sowie die Sozialsenatorin. Schulen und Einrichtungen können die Ausstellung auch in ihren Räumen zeigen. Anfragen an Regina Bukowski vom Diakonischen Werk unter der Telefonnummer 163 84 17.

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