Zahlreiche Familien formieren sich derzeit zu einer Bürgerinitiative, die statt eines urbanen Gebietes ein Mischgebiet für das geplante Kornquartier fordert. Foto: Füller Zahlreiche Familien formieren sich derzeit zu einer Bürgerinitiative, die statt eines urbanen Gebietes ein Mischgebiet für das geplante Kornquartier fordert. Foto: Füller
Kornquartier

Anwohner fordern Mischgebiet

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Warum die Pläne für das Kornquartier die unmittelbaren Nachbarn aufschrecken.

„Wir sind nur Publikum. Niemand hat das Gespräch gesucht oder uns gehört“, sagt Petra Redert. Die Neustädterin spricht für rund 50 Anwohner der Kornstraße, die sich derzeit zu einer Bürgerinitiative formieren.

Als bloße Zuschauer sehen sich Redert und ihre Mitstreiter in Sachen Kornquartier. Das Vorhaben der Projektentwicklungsgesellschaft Kornstraße, der das Plankontor Projekte und die Tektum Holding angehören, will das ehemalige Autohaus-Gelände und benachbarte Grundstücke an der Kornstraße entwickeln.

Entstehen soll ein autofreies sogenanntes Urbanes Wohngebiet, in dem Leben, Arbeiten, Kita, Gastronomie, Kultur und Gewerbe angesiedelt werden. Das Investitionsvolumen beträgt rund 250 Millionen Euro.

Entwicklung wird begrüßt

Grundsätzlich haben Redert und ihre Mitstreiter nichts gegen die Entwicklung des Areals. Den Anwohnern geht es vielmehr um die Ausmaße.

„Der Begriff urban beschreibt hier nicht ein Lebensgefühl. Ein Urbanes Gebiet bietet den Investoren die Möglichkeit, höher und dichter zu bauen“, erklärt Redert.

Dichtere Bebauung erlaubt

Urbane Gebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung gibt es seit deren Novelle im Jahr 2017. Sie ähneln Mischgebieten, erlauben allerdings beispielsweise eine höhere Lärmbelastung sowie eine mehr als doppelt so hohe Geschossflächenzahl als in Mischgebieten.

Erste Entwürfe sahen so für das Kornquartier Gebäude mit vier bis acht Geschossen vor.

In Bremen gibt es laut Bauressort seit 2017 bereits mehrere Urbane Gebiete: das ehemalige Mondelez-Gelände, in der Überseestadt am Schuppen 3 und das ehemalige Schlachthofgelände in Bremen-Nord. Für das Hachez-Areal sowie das Tabakquartier sind diese ebenfalls vorgesehen.

Nachbarn für Mischgebiet

Die direkten Nachbarn des rund drei Hektar großen Areals an der Kornstraße befürchten, bei den geplanten Ausmaßen künftig stark eingeschränkt zu werden.

Ein Mobilitätshaus mit sechs Geschossen würde etwa nahezu direkt an die Fenster eines benachbarten Gebäudes grenzen. Auch die Balkone der Nachbarn würden verbaut, sagen die Anwohner.

„Das ist ein Übergriff auf die Nachbarschaft“, sagt Gaby Peters, direkte Anwohnerin. Sie befürchtet, dass ihr Balkon nach Fertigstellung des Wohngebiets von den neuen Gebäuden überragt wird, zudem die Sicht versperrt wird.

Tiefgarage vom Tisch

Jost Paarmann, geschäftsführender Gesellschafter der Projektentwicklungsgesellschaft erklärt: „Wir haben darauf geachtet, dass niemand überbaut wird. Auch die Möglichkeit einer Tiefgarage wurde geprüft. Wir haben uns aber dagegen entschieden. Eine Tiefgarage in einem autofreien Quartier wäre irgendwann tote Baumasse. Ein Mobilitätshaus kann bei Bedarf nachgenutzt werden. Möglich wären Gewächshäuser oder mehr Flächen für Fahrräder. Eine Umnutzung ist vielfältiger umsetzbar.“

Warten auf Antworten

Die Anwohner bemängeln allerdings nicht nur die aus ihrer Sicht überdimensionierten Pläne mit zu wenig Freiflächen und zu dichter Bebauung, sondern auch den Umgang mit ihnen.

So hätten sie weder in einer Einwohnerversammlung im November 2020 noch im Zuge einer Beiratssitzung im März Gelegenheit erhalten, ihre Bedenken zu äußern.

Auf eine schriftliche Stellungnahme ihrerseits an Beirat und Orts­amt hätten sie bis heute keine Antwort bekommen, sagt Redert. „Der Investor hat bisher alles finanziert, die Stadt bedient also nur seine Interessen. Das ist alles andere als neutral“, sagt Redert.

In Bremen die Regel

Jens Tittmann, Sprecher des Bauressorts erklärt, dieses Vorgehen sei in Bremen nicht nur üblich, sondern die Regel, wenn das Projekt des Vorhabenträgers der einzige oder überwiegend einzige Anlass zur Planung ist.

Paarmann zeigt sich irritiert ob der Vorwürfe: „In den zwei Jahren Planungszeit haben wir sehr öffentlich gearbeitet und immer zu den Projektvorstellungen eingeladen.“

Beiratsforderungen nachgekommen

Auch den Forderungen des Beirats sei man schließlich bisher gefolgt – entlang der Kornstraße seien lediglich noch fünf Geschosse geplant, auf dem übrigen Gelände sieben inklusive Staffelgeschoss.

Die ursprüngliche Dichte der Geschossfläche sei zudem um knapp 20.000 Quadratmeter stark reduziert worden, außerdem das geplante Hotel gestrichen worden. „Wir schaffen auf dem Gelände viel geförderten Wohnraum“, sagt Paarmann und will im Mai dem Beirat konkrete Zahlen nennen.

Für diesen steht die Beschäftigung mit dem Thema Kornquartier noch ganz am Anfang, wie dessen Sprecher Ingo Mose (Grüne) mitteilt.

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