Weser Report: Herr Markus, Sie sind seit 24 Jahren Beiratsmitglied und seit mehr als zwölf Jahren Beiratssprecher in Obervieland. Nun treten Sie nicht mehr zur Beiratswahl an. Warum?
Stefan Markus: Ich habe im letzten Jahr einen Landesverband des Fachverbands für Nachbarschaftsarbeit gegründet. Da sind viele Bürgerhäuser mit drin und bin seit September dessen Bundesvorsitzender. Ich bin Gemeinwesenarbeiter durch und durch, auch im Bürgerhaus Obervieland. Da möchte ich viel mehr für tun.
In meiner neuen Position muss ich dafür aber Forderungen an die Politik stellen und ich möchte nicht auf beiden Seiten stehen. Das funktioniert nicht. Wenn man so lange dabei war wie ich jetzt, bekommt man außerdem Scheuklappen. Diese werden immer größer. Für Neues müssen auch neue Leute kommen. Ich möchte auch nicht mit über 80 noch im Beirat sitzen und alle fragen sich, wann ich denn mal endlich aufhöre.
War die Entscheidung schwer?
Nein, war sie nicht. Ich habe jetzt schon keinen Acht-Stunden-Tag und hänge mich sehr rein, wenn ich etwas anfange oder übernehme. Der Beirat und meine politische Arbeit ist ja auch alles Ehrenamt. Ich bin auch seit vielen Jahren Sprecher der Beirätekonferenz und es kommen schon sehr viele Stunden zusammen. Jetzt stelle ich fest, das könnte ich mit der zusätzlichen Aufgabe dann nicht mehr machen.
Also es ist mir leicht gefallen. Je näher der Zeitpunkt aber kommt, desto wehmütiger werde ich. Man ist dann eben auch abgekoppelt von all den Informationen. Die sind ja immer das A und O. Dann muss ich erstmal schauen, woher ich welche Informationen bekomme (lacht).
Werden Sie sie Beiratsarbeit vermissen?
Bremen ist klein, das Netzwerk steht. Man muss sich nun mehr bemühen und selber nachfragen. Aber ja, die angst ist da gewesen. Ich kann künftig auch anders auftreten, das ist ja auch ganz schön.
Was nehmen Sie aus der Beiratsarbeit mit?
Man lernt, Geduld zu haben. Ich habe oft überlegt, was ich bewirkt habe. Da ist mir erst nichts eingefallen. Wenn man aber ins Klein-Klein geht, dann ist da doch sehr viel. Zum Beispiel ein paar Straßennamen, die ich vorgeschlagen habe (lacht). Also da kommt schon was rum. Aus der Verwaltung höre ich jetzt oft Bedauern. Das war mir gar nicht so bewusst, dass ich da so ein „Standing“ habe.
Was sind oder waren Ihre Herzensprojekte?
Wir sind hier ein Armutsgebiet in Kattenturm und trotzdem habe ich hier sehr viele Menschen mit unglaublichen Kompetenzen. Alleine hier die Wahlbeteiligung zu erhöhen ist ein Herzenswunsch. Mir geht es auch darum, Gleichheit zu schaffen. Und da wo Ungleichheit herrscht, sollte auch ungleich gehandelt werden. Hier muss Geld rein gesteckt werden, um strukturelle Veränderungen schaffen zu können.
Das beste was uns in unserem Stadtteil passieren konnte, ist dass das Integrierte Entwicklungskonzept für Kattenturm im April noch von der Deputation beschlossen wird. Dann stehen für die nächste Dekade Summen über Soziale Stadt zur Verfügung, die eine echte Veränderung in Kattenturm schaffen werden. Kattenturms Zentrum wird quasi auf links gedreht. Das haben wir in relativ kurzer Zeit geschafft.
Werden Sie die Beiratssitzungen weiterhin besuchen?
Ja, ganz sicher. Falls nötig auch hybrid. Dafür kämpfen wir ja noch. Das ist eine positive Sache, die wir aus der Pandemie mitgenommen haben. Als Bürgerhaus bieten wir die Übertragung als Dienstleistung für die Beiräte an. Ich bin aber auch älter geworden und man muss sie seine Ressourcen einteilen.
Gewinnen Sie nun mehr Zeit für andere Dinge?
Als ich Geschäftsführer des Bürgerhauses geworden bin, habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Das ist immer noch so, also nein. Jetzt bin ich bundesweit damit unterwegs. Das ist mein Schwerpunkt und hat aber auch ganz viel mit Politik zu tun. Entscheiden müssen jetzt auch mal andere. Ich gehe jetzt auf die Seite, wo ich auch mal meckern kann. Und eine Familie habe ich auch noch.