Weser Report: Frau Luckey, welche Herausforderungen stellen sich heute an eine moderne Hochschule?
Karin Luckey: Eine leistungsfähige, moderne Hochschule muss sehr gut vernetzt sein mit allen relevanten Partnerinnen und Partnern, um Angebote entwickeln zu können, wo der Bedarf besteht. Sie muss sich mit den großen gesellschaftlichen Themen wie Fachkräftemangel, Klimawandel und Digitalisierung in der Arbeitswelt beschäftigen, um die Bedarfe zu treffen. Und: Es gibt in Deutschland über 20.000 Studienangebote an Hochschulen. Wir müssen passgenau auf die Situation der jungen Leute reagieren können, damit sie das für sie richtige Studium erfolgreich durchlaufen können. Wir müssen uns in die Lebenssituationen der Menschen hinein versetzen, damit sie einen guten Start finden. Der Mensch steht im Mittelpunkt.
Wie machen Sie das?
Wir haben Expertinnen und Experten, die sich damit beschäftigen, welche Informationen die jungen Leute über ein Studium brauchen. Wir sind auch auf vielen Social Media Kanälen vertreten, weil wir natürlich dahin gehen müssen, wo die jungen Leute sich ihre Informationen suchen. Wir haben aber auch Projekte mit Schulen und laden in die Hochschule Bremen ein. Und wir haben das Programm „Rent a Student“, bei dem man gemeinsam mit einer Studentin oder einem Studenten einen Tag an der HSB verbringt. Wir beraten außerdem zum Studium mit Beeinträchtigung. Man muss darüber nachdenken, welche begleitenden Formate jemand benötigt, etwa Studierende mit Kindern oder solche, die Angehörige pflegen. Wir gestalten Rahmenbedingungen für sie, um die Lebenswirklichkeit mit dem Studium zu vereinen.
Wie bleibt man wettbewerbsfähig?
Uns ist es wichtig zu zeigen, dass Bremen ein wunderbarer Ort zum Studieren ist und jungen Leuten vieles geboten wird. Wir haben aber auch eine gute Verbindung zu den künftigen Arbeitgebern und Institutionen, verfügen über Studienangebote, die unmittelbar die Kompetenzen vermitteln, die gebraucht werden. Durch die enge Verknüpfung mit den Unternehmen kann man schon frühzeitig ein Jobangebot bekommen, das verschafft uns Vorteile gegenüber anderen Hochschulen. Auch Formate wie das duale und das berufsbegleitende Studium machen uns wettbewerbsfähig.
Gab es diese Möglichkeiten vor 15 Jahren auch schon?
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, passgenaue Angebote auch für neue Zielgruppen zu schaffen. Deshalb haben wir vor zehn Jahren intensiv damit begonnen, solche Formate zu entwickeln. Die HSB startet zum Wintersemester zum Beispiel einen neuen dualen Studiengang: Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik, anknüpfend an die Digitalisierung im öffentlichen Sektor.
Viele ihrer Studiengänge greifen aktuelle Bedarfe auf.
Das ist unser Markenzeichen und macht uns attraktiv. Wir entwickeln Studiengänge mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Praxis. Wir gehen in den Austausch und übersetzen, was gebraucht wird. Ein wichtiger Schwerpunkt war der Ausbau von Therapie-, Pflege- und Gesundheitsberufen. Da sind wir bundesweit führend wahrgenommen worden, weil wir die ersten waren, die diese Studiengänge angeboten haben. Die HSB reagiert auf wichtige Themen und darauf, wo viele neue Berufsbilder entstehen werden.
Wird die Hochschule Bremen sich denn weiter vergrößern?
Wir möchten uns derzeit aktiv nicht erweitern, obwohl wir große Potenziale sehen würden. Der Grund ist, dass wir für das bestehende Studienangebot ausreichend Personal und Flächen herstellen und ausreichend ausgestattet sein müssen, damit wir im Land Bremen dem Bundesdurchschnitt entsprechen. Das tun wir im Moment noch nicht. Es wäre nicht sinnvoll, ohne verlässliche Zusage der Politik weitere Studienangebote zu schaffen. Es ist Aufgabe der Politik, für die Ressourcen zu sorgen.
Leidet die HSB selber auch unter dem Fachkräftemangel?
Ja. Wir müssen mehr Lehrpersonen für unseren Hochschultyp gewinnen. Eine Professur an der HSB erfordert nicht nur wissenschaftliche Expertise, sondern gleichzeitig auch ein hohes Maß an Praxiserfahrung. Wir stehen da also im Wettbewerb mit Unternehmen. Um die dringend benötigten Fachkräfte zu gewinnen, haben wir zum Beispiel Kooperationen im Gesundheitsbereich. So kann zum Beispiel ein Professor oder eine Professorin ergänzend praktische Erfahrung sammeln, während er oder sie bei uns schon angestellt ist. Das ist unsere Antwort auf den Fachkräftemangel.
Sie gehen in den Ruhestand. An was denken Sie besonders gerne zurück? Was macht sie rückblickend stolz?
Ende April haben wir mit den Absolventinnen und Absolventen gefeiert. Es war sehr anrührend, das zu erleben, denn sie haben während der Coronazeit ihr Studium gemeistert. Es gibt Studierende, die haben die Hochschule Bremen gar nicht betreten, weil sie ihr Studium virtuell und mit vielen Belastungen durchlaufen haben. Auch dass wir es geschafft haben, ihnen während dieser Zeit ein Studium anzubieten. Das hat mich wirklich stolz gemacht.