Geschichte

„Made in Delmenhorst“ als Qualitätsmerkmal

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Linoleum ist eng mit der Industriegeschichte der Stadt Delmenhorst verbunden

Nachdem um 1860 dem englischen Ingenieur Frederick Walten die Erfindung des Linoleums, das im Wesentlichen aus Leinöl, Kork- und Holzmehl, Harzen, Farbpigmenten und einem Jutegeweberücken besteht, gelang und dieser 1863 in Staines bei London die erste Linoleumfabrik gründete, dauerte es noch fast 20 Jahre, bis Bremer Kaufleute die neue Industrie in Deutschland einführten.

1882 wurde die erste „Delmenhorster Linoleumfabrik“ von Bremen aus gegründet, die 1896 unter dem Markennamen „Hansa“ firmierte. Es folgten 1892 die Linoleumfabrik „Anker-Marke“ und 1898 die „Schlüssel-Marke“. Delmenhorst war als Standort weise gewählt. Hier gab es schon seit dem 18. Jahrhundert eine florierende Korkindustrie und seit 1870 eine große Jutefabrik.

„Delmenhorster Linoleum“ wurde schnell zu einem Qualitätsbegriff. Der für die Linoleumherstellung typische Geruch nach Leinöl ist bis heute kennzeichnend für die Stadt.

 

Die Lage an der Bahnstrecke Bremen-Oldenburg war von Beginn an ein Standortvorteil. Das Anker- als auch das Schlüssel-Werk verfügten über Gleisanschlüsse, die sich auf den Fabrikgeländen verzweigten.

Zur Hochzeit wurde der Bodenbelag von der Delme unter anderem bei der Kaiserlichen Deutschen Reichspost und auf den Schiffen der Kaiserlichen Marine verlegt. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg lieferte die „Schlüssel-Marke“ Linoleum für die Kaiserlichen Jachten „Kaiseradler“ und „Hohenzollern“. In vielen Turnhallen kam die Delmenhorster Qualitäts-Ware ebenfalls zum Einsatz.

Die „Anker-Marke“ fertigte aus Linoleum nicht nur Bodenbeläge, sondern verwendete es als sogenanntes Inlaid-Linoleum darüber hinaus als Wandbelag, Möbelbezug und für Tischplatten. Die Muster wurden durch Einpressen verschiedenfarbiger Linoleummassen in Schablonen erzeugt.

Im Oktober 1926 fand die Selbstständigkeit der drei Linoleumfabriken Hansa, Anker und Schlüssel ihr Ende, sie wurden zu der „Deutsche Linoleum-Werke AG“. Weitere Partner waren die „Linoleum-Fabrik Maximiliansau“ in der Pfalz und die „Germania-Linoleum-Werke AG“ aus Bietigheim. Die DLW stellte sich im Dezember 1926 der Öffentlichkeit vor. Ab 1929 waren die Werke Anker (nördlich der Bahn) und Schlüssel (südlich der Bahn) durch eine Brücke über die Bahntrasse räumlich verbunden.

In den 1930er Jahren wurde die Linoleumherstellung im „Hansa-Werk“ eingestellt. Das Werk an der Stedinger Straße fiel dem Hauptziel der DLW-Gründung, der Rationalisierung der Linoleumproduktion, zum Opfer. Es umfasste zum Schluss eine Fläche von rund 20 Hektar, von denen zirka fünf Hektar bebaut waren. Die Fabrikhallen standen hauptsächlich nördlich der Welse. Am südlichen Welseufer befand sich das Reifehaus; entworfen hatte es der Architekt Heinz Stoffregen. Die Fabrikanlage verschwand im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts.

Im „Anker-Werk“ – gelegen zwischen Bahnlinie und der Schanzenstraße – wurde von 1893 bis in die 1960er Jahre Linoleum hergestellt. Heute ist das Areal zum größten Teil eine Industriebrache. Die Fabrikhallen standen beiderseits der Welse. Straßen- und Eisenbahnbrücken, die über den Fluss führen, sind ebenso als industrielle Artefakte der Industrieanlage erhalten wie Eisenbahnschienen und die Ruine des Reifehauses. Etwa 30 Tage lang wurden die frisch gefertigten Linoleumbahnen bei einer Temperatur von 80 Grad Celsius senkrecht hängend in den Kammern getrocknet: Sie reiften.

Die „Schlüssel“-Marke hatte sich bereits vor der Firmenfusion zu der größten Delmenhorster und deutschen Linoleumfabrik entwickelt. 1921 umfasste das 94.000 Quadratmeter große Areal 33 Produktionsgebäude, fünf Maschinen- und Kesselhäuser sowie 27 Trocken- und Lagerhäuser.

In den 1960er Jahren wurde Linoleum zunehmend durch Bodenbeläge wie PVC vom Markt verdrängt, bevor es in den 1980er Jahre wiederentdeckt wurde. Einziger Produktionsstandort für Linoleum in Deutschland ist seit 1968 Delmenhorst.

Wer sich detailliert mit der Delmenhorster Linoleum-Geschichte beschäftigen möchte, dem sei ein Besuch des Stadt- und Fabrikmuseums auf der Nordwolle empfohlen. Viel Wissenswertes liefert auch das reich bebilderte Buch „Linoleum aus Delmenhorst“ von Franz-Reinhard Ruppert, erschienen im Isensee Verlag.

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