Er ist zwar noch nicht zu sehen, aber von Weitem schon sehr gut zu hören: der Specht. Antennen, Dachbleche sowie Straßenlaternen eignen sich für ihn besonders, um darauf zu trommeln, und Dämmungen von Fassaden, aber auch Strom- und Telefonmasten, um hier Höhlen zu zimmern.
Die Spechte zieht es seit Jahren in die Ballungsräume
Bereits seit Jahren zieht es Spechte in die Städte. Waren diese Vögel mit ihrem starken, geraden, kantigen Meißelschnabel, der fast so lang wie ihr Kopf ist, früher nur in Ausnahmefällen in urbanen Bereichen anzutreffen, sind sie hier inzwischen regelmäßig zu sehen. Zunächst entdeckten vor allem die Buntspechte urbane Siedlungsbereiche für sich. Mittlerweile sind es auch Grün-, Mittel- und sogar die seltenen Dreizehenspechte.
Auf der Suche nach Nahrung und Wohnraum geht es in die Stadt
„In aufgeräumten Wirtschaftswäldern finden Spechte kaum morsches oder totes Gehölz. Auf der Suche nach Nahrung und nach Wohnraum zieht es diese Vögel daher tatsächlich auch in die Stadt“, erklärt die Bremer Tierschutz- und Wildtier-Expertin Dr. K. Alexandra Dörnath, die die Tierarztpraxis Klein Mexiko und das Exoten-Kompetenz-Centrum leitet. „Das Leben der Spechte in Städten kann allerdings zu Konflikten mit dem Menschen führen“, so Dörnath. Da auch in der Stadt Totholz fehle, mangele es dem Specht hier genauso an Baum-Behausungen. Morsches Holz werde ja allein schon aus Gründen der Verkehrssicherung entfernt. In seiner Not weicht der „Handwerksmeister des Waldes“ auf wärmegedämmte Fassaden aus und richtet dort, aus Sicht des Menschen, Schäden an.
Dieser Buntspecht hat eine Bruthöhle in eine Birke gezimmert und zieht dort erfolgreich seinen Nachwuchs auf. Foto: Bollmann
Der Bau der Bruthöhle geht in der Wärmedämmung sehr schnell
„An Fassaden mit Wärmedämmung täuscht der hohle Klang den geschickten Vögeln totes oder faules Holz unter der Oberfläche vor“, so Dörnath. Der Putz der Fassade ähnele einer Baumrinde und das Dämmmaterial erfülle für den Specht die Funktion morschen Holzes, berichtet die Expertin. Die Dämmschicht eigne sich für den Bau einer Schlaf- oder Bruthöhle. Spechte hätten gelernt, dass die Höhle in einer Fassade in wenigen Tagen bezugsfertig sei, während der Höhlenbau in einem Baumstamm zwei bis drei Wochen dauere, so die Wildtierspezialistin.
Spechte sind hervorragende Baumeister und Handwerksmeister
Spechte sind vorausschauende Baumeister: Sie hacken im Herbst mehrere Höhlen für die kalte Jahreszeit. So ist im Falle von Störungen für Ersatz gesorgt. Im Frühjahr bauen die Männchen mehrere Höhlen, damit sich die Weibchen dann eine Nisthöhle aussuchen können.
Dörnath bittet um Verständnis für Spechte in Wohnungsnot
Dörnath bittet um Verständnis für die Wohnungsnot der Spechte. „Tatsächlich gibt es bereits Gebäudeversicherungen, die Schäden durch Spechte abdecken“, so die Veterinärin. Die Expertin warnt davor, vom Specht gebaute Höhlen eigenmächtig zu verschließen. „Denn nicht nur die Vögel selbst, sondern auch ihre Nist- und Zufluchtsstätten stehen unter dem strengen Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes“, betont Dörnath.
Höhlen und Niststätten der Spechte stehen unter Schutz
Dies gelte nicht nur für Höhlen in Bäumen, sondern auch für solche an Gebäuden. Nicht nur das Töten, Verletzen und Fangen, sondern auch die Zerstörung der Quartiere oder auch Veränderungen an diesen sind verboten. Eine Ausnahmegenehmigung für die Beseitigung einer in die Gebäudedämmung eingebrachten Höhle durch einen Specht erteilt allein die zuständige Naturschutzbehörde. Allerdings gibt es eine gesetzliche Verpflichtung zum Quartierschutz, so dass dem Vogel Alternativen angeboten werden müssen. Der Specht allerdings nutzt Nistkästen sehr selten – dieser Vogel ist „programmiert“ auf „Marke Eigenbau“.
Fassadenbegrünung kann die Hauswand schützen
Eine glatte Fassade kann vor dem Specht schützen, denn an dieser findet er keinen Halt. Auch eine Fassadenbegrünung bewahrt die Hauswand vor dem Vogel. Allerdings können Pflanzen mit Haftwurzeln, beispielsweise Efeu, aufgrund des Eigengewichtes die Putzschicht herunterziehen. Eine Alternative ist zum Beispiel der schnell wachsende, bei Imkern als Bienenweide sehr beliebte Schlingknöterich, dem Kletterhilfen geboten werden. Im Gegensatz zum Geißblatt ist dieser aber nicht immergrün.
Die Expertin Dr. Alexandra Dörnath aus der Tierarztpraxis Klein Mexiko. Foto: Bollmann
Spechte spielen eine ökologische Schlüsselrolle für Pflanzen und Tiere. Sie sind von Haus aus die „Gesundheitspolizei des Waldes“, da sie Insekten wie Baumschädlinge verzehren. Wir Menschen müssen den Spechten Raum geben: Sein natürliches Habitat muss daher geschützt werden. Hierfür braucht es alte und tote Bäume – im Wald genau wie in der Stadt. Wo dies möglich ist, ist es eine große Hilfe für diese nicht nur schönen, sondern auch besonderen Vögel.
■ Falls Ihnen ein Thema rund um einheimische Wildtiere und auch Exoten unter den Nägeln brennt, schreiben Sie uns an martin.bollmann@weserreport.de eine Mail. mb