Den Alltag und Behördengänge in einem fremden Land zu meistern, ist oft eine Herausforderung. Noch schwieriger wird es, wenn es fern der Heimat um Gesundheitsfragen geht.
Um Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund, aber auch Behandelnden eine Möglichkeit der Hilfestellung anbieten zu können, wurden in Kattenturm nun die ersten Sprach- und Kulturmittlerinnen und -mittler mit einem Fokus auf Gesundheit geschult.
„Es ist viel mehr als reines Dolmetschen. Man muss die kulturellen Hintergründe auf beiden Seiten bedenken und verstehen. Außerdem gibt es für bestimmte Diagnosen in anderen Sprachen gar kein Wort“, verdeutlicht Mecbure-Arzu Işik, Gesundheitsfachkraft im Quartier die Notwendigkeit des Angebots.
Kontakt und Vertrauen aufbauen
Sie entwickelte das Konzept und den Lehrgang. Das Verständnis auf beiden Seiten gehört zur Integration dazu, ist sich Işik sicher.
Zudem können die Teilnehmenden auf einer anderen Ebene Kontakt und Vertrauen zu den Menschen in den Quartieren aufbauen.
In 17 Modulen, einmal wöchentlich für dreieinhalb Stunden, haben die acht Frauen und ein Mann seit Oktober an dem Lehrgang teilgenommen. Sie kommen aus Syrien, dem Iran, dem Irak und dem Libanon. Sie alle erhielten kürzlich ihre Abschluss-Zertifikate.
Module zu Schwerpunkten
Während des Lehrgangs vermittelten Referentinnen und Referenten beispielsweise den Umgang mit Themen wie Werte und Haltungen, digitale Gesundheitskompetenzen wie das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte, aber auch interkulturelle Kommunikation und die Unterschiede in den Kulturen wurden behandelt.
Ein Besuch der Notaufnahme des Klinikums Links der Weser gehörte ebenfalls zum Lehrplan. „Wir haben dort mit Ärzten und dem Pflegepersonal gesprochen und erfahren, was sie sich wünschen und wie wichtig es ist, dass die Menschen verstehen, warum sie hier nicht mit jeder Krankheit in die Notaufnahme gehen dürfen“, erzählt eine Teilnehmerin. In anderen Kulturen sei das anders, weiß auch Quartiersmanagerin Sandra Ahlers.
Ein weiteres Modul des Lehrgangs befasste sich mit den Techniken des Dolmetschens, reale Situationen wurden in Rollenspielen durchgespielt. „In manchen Kulturen ist es unhöflich, bei Ärzten eine Nachfrage zu stellen, wenn man etwas nicht versteht. Die Teilnehmenden wissen, dass es aber wichtig ist und nicht als unhöflich verstanden wird. Das können sie den Personen, die sie begleiten verdeutlichen und übersetzen“, nennt Işik ein Beispiel.
Ernährung, Mediennutzung, Impfungen und Kindergesundheit waren neben psychischer Gesundheit und Selbstfürsorge weitere Themen.
Keine Übernahme in Jobs – Finanzierung fehlt
Trotz der Freude über die erfolgreich abgeschlossene Zusatzqualifikation gibt es einen Wermutstropfen: „Eine Herausforderung ist leider die konstante Finanzierung des Angebots“, sagt Sandra Ahlers.
Eine klare berufliche Perspektive ergibt sich für die Teilnehmenden nicht und derzeit kann kein weiteres Angebot dieser Art umgesetzt werden – die Finanzierung fehlt.
„Es wäre toll, wenn sie im Gesundheitssystem als Mittlerinnen und Mittler Fuß fassen könnten“, ist auch Işik überzeugt. Das Gesundheitsressort sowie das Hilfenetzwerk Bremen seien bereits informiert, außerdem sei man auf der Suche nach weiteren Fördertöpfen sagt Ahlers.
Personen können für Entlastung sorgen
„Es ist für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem unumgänglich, in diese Richtung mit Sprach- und Kulturmittlern mit einem besonderen Fokus weiterzugehen“, sagt Ahlers. Das Interesse müsse seitens der Stadt, aber auch der Gesundheitsbranche bestehen, ist sie überzeugt.
Denn die Mittlerinnen und Mittler können in Kliniken und Praxen für Entlastung sorgen, sind sich alle einig. „Das darf nicht unterschätzt werden“, sagt Işik.