Weser Report: Der Berliner Koalitionsvertrag enthält auch ein Bekenntnis zur Mietpreisbremse. Was bedeutet das für Bremen?
Ingmar Vergau: Die Möglichkeit zur Fortsetzung der Mietpreisbremse ist das Entscheidende. In Bremen läuft die Regelung eigentlich im Herbst aus. Es gibt die Mietpreisbremse schon seit 2015. Gerichte bis zu den Bundesgerichten haben sich damit auseinandergesetzt. Die Verfassungsmäßigkeit wurde bislang unter anderem deshalb bejaht, weil es sich um eine Übergangsregelung handeln sollte. Fraglich ist, ob das noch eine Übergangsregelung ist, wenn das nun erneut verlängert wird.
Was stört Sie inhaltlich an der Mietpreisbremse?
Sie bringt nichts. In Schleswig-Holstein etwa, wo es keine Mietpreisbremse gibt, sind die Mieten nicht höher als in Bremen mit Mietpreisbremse. Es gibt keinen Nachweis, dass sie den gewünschten Effekt hat. Im Gegenteil: Sie schreckt eher investitionswillige Eigentümer ab, weil diese feststellen, dass sich das Vermieten nicht mehr rentiert.
Ist der Wohnungsmarkt in Bremen denn nicht angespannt? Gerade mit mittleren und niedrigen Einkommen ist es angeblich schwierig, etwas Bezahlbares zu finden.
Da muss man erstmal definieren, wer das sein soll. Für Bürgergeldempfänger muss im sozialen Wohnungsbau etwas geschehen. Das ist nicht der Markt, den die privaten Vermieter bedienen. Meiner Ansicht nach ist das an den Haaren herbeigezogen, dass es in Bremen keine Wohnungen zu einem vernünftigen Mietpreis gibt. Es gibt sie in allen Segmenten. Das Problem ist, dass sich die Landesregierung immer an Angebotsmieten orientiert, die Internetportale verbreiten. Wenn die Senatorinnen und Senatoren in den Mietpreisspiegel schauen würden, könnten sie sehen, dass wir mit einer Durchschnittsmiete von 7,50 Euro pro Quadratmeter für eine Großstadt am untersten Limit sind. Es gibt Stadtteile, wo man auch für 5 Euro, 5,50 Euro pro Quadratmeter noch etwas anmieten kann. Das ist dann natürlich nicht mit Blick auf den Dom.
Welche Stadtteile sind das?
Beispielsweise in Burg, Grambke, in der Vahr, in Walle und Obervieland wird man sicher noch etwas finden. Selbst in Hemelingen kann man etwas für deutlich unter 7,50 Euro pro Quadratmeter bekommen. Das Gutachten zu Ermittlung angemessener Miethöhen hat gezeigt, dass sogar in der Stadtmitte 24 Prozent, in Horn-Lehe knapp 25 Prozent und in Schwachhausen 26 Prozent der Mieten auf Bürgergeldempfängerniveau sind. Im übrigen Bremen ist der Anteil der für Bürgergeldempfänger bezahlbaren Mieten noch höher. Es verbietet sich seriösen Politikern in Bremen somit, weiterhin die Sau der „unbezahlbaren Mieten“ durch die Stadt zu treiben. Unbezahlbare Mieten in Bremen sind populistische Fake News.
Warum liefern die Internet-Vergleiche und der Mietpreisspiegel so unterschiedliche Ergebnisse?
In den Internetvergleichen geht es um Angebotsmieten aus den Immobilienportalen. Ob der Vertrag dafür zustande kommt, ist eine andere Frage. Im Mietspiegel werden dagegen ausschließlich tatsächlich abgeschlossene Verträge berücksichtigt. Viele Angebote zu vernünftigen Preisen, die im Mietspiegel abgebildet werden, landen auch gar nicht auf den Portalen, weil die Wohnungen unter der Hand vergeben werden. Auf den Portalen landen die schwieriger zu vermietenden, vielleicht auch die zu hochpreisigen Wohnungen. Deshalb zeigt sich dort ein völlig verqueres Bild.
Sie sagen, die günstigen Mieten in Bremen verhindern Investitionen und Eigentumsbildung. Warum?
Aufgrund der günstigen Mieten entscheiden sich Leute, die es sich eigentlich leisten könnten, nicht mehr dafür, Wohnungen zu kaufen und in den Neubau zu investieren. Warum soll ich mich verschulden, wenn ich für 8 bis 9 Euro Miete pro Quadratmeter in Schwachhausen wohnen kann? Unser Problem ist aber, dass wir nicht genügend Wohnungen haben werden. Wenn keine neuen gebaut werden, führt das tatsächlich zu einem sehr angespannten Markt.
Wie wirken sich künstlich niedriggehaltene Mieten auf die Investitionsbereitschaft der Vermieter aus?
Es gibt Situationen, wo man zur Modernisierung fast gezwungen ist. Ansonsten sehen die Wohnungen bald so aus, dass man sie gar nicht mehr bewohnen kann. Dann geht Wohnraum verloren. Es muss einfach die Möglichkeit geschaffen werden, dank der eingenommenen Mieten neue Investitionen zu tätigen. Viele unserer Mitglieder vermieten für unter 6 Euro pro Quadratmeter. Da kann man nicht mal eben für 10.000 bis 15.000 Euro eine neue Heizung einbauen.
Sie warnen vor einer Ausweitung von inoffiziellen und grauen Formen der Wohnraumnutzung. Was meinen Sie damit?
Beispielsweise die Gründung von Pseudo-WGs: Jemand mietet eine Wohnung günstig an und vermietet die Zimmer dann an Dritte weiter. Die sind dann an gar keine Regulierungen gebunden. Als Eigentümer hat man dann wenig Handhabe. Natürlich kann man eine nicht genehmigte Untervermietung abmahnen. Aber bis man bei Gericht damit durchkommt, den Mieter raus zu klagen, dauert das seine Zeit. Ich kann es nicht beziffern, aber nachdem, was wir in der Rechtsberatung hören, ist das kein seltener Fall.