Özlem Ünsal (50, SPD) ist seit 18 Monaten Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung. Foto: Schlie Özlem Ünsal (50, SPD) ist seit 18 Monaten Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung. Foto: Schlie
Interview

„Es ist ein Kulturwandel“

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Verkehrssenatorin Özlem Ünsal: Was der Vier-Stufen-Plan zur Neuordnung des Parkens in Bremen vorsieht

Das Thema aufgesetzte Parken ist seit Jahren in Bremen umstritten. Im Interview mit dem WESER REPORT erklärt Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal ihre Pläne.

WESER REPORT: Frau Ünsal, wie soll das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum aufgesetzten Parken konkret in den Quartieren umgesetzt werden?

Özlem Ünsal: Das Urteil gibt uns Klarheit über den Handlungsspielraum zur Umsetzung. Das begrüße ich sehr. Als öffentliche Hand müssen wir alle Verkehrsteilnehmenden und deren Bedürfnisse berücksichtigen und im Lichte des Urteils gemeinsam den gesellschaftlichen Ausgleich finden. Wir haben ein dynamisches Konzept erarbeitet, das auf die Anforderungen der Quartiere individuell angepasst werden kann. Die vier Stufen bauen aufeinander auf.

In der ersten Stufe haben wir die stark betroffenen Quartiere identifiziert. Dort muss zunächst die Rettungssicherheit gewährleistet werden. Das soll bis Mitte des Jahres in Teilen des Viertels, der Neustadt und von Findorff abgeschlossen sein. Das machen wir in enger Zusammenarbeit mit dem Innenressort.

Parallel ordnen wir neu. Wir identifizieren Flächen und legale Parkmöglichkeiten. Können wir zum Beispiel auf Supermaktparkplätze ausweichen oder wie sieht es mit Carsharing aus? Unser Ziel bleibt, nach Möglichkeit keine Flächen zu versiegeln, wenn es bereits verfügbare Flächen gibt, die noch nicht ausgelastet sind.

Sind sie dazu in konkreten Gesprächen oder beobachten Sie zunächst, wie etwa das Feier­abendparken in anderen Städten angenommen wird?

Es gibt vereinzelt Städte, die das jetzt ausprobieren. Wir führen intensive Gespräche, auch mit Privaten. Schon vor dem Urteil haben wir vorbereitend eine Bürgerbefragung durchgeführt, die verschiedene Parameter berücksichtigt. Wie groß darf die Entfernung zu einem Parkplatz sein? Wie muss der Weg dorthin beschaffen sein? Gibt es gefühlte Angsträume?

Da wollen wir kein theoretisches Konstrukt aufbauen, sondern die Vorschläge der Bürger mit aufnehmen. Es spielen aber auch private Flächen eine Rolle, die man erschließen könnte. Das macht die Betrachtung noch viel größer. Die Umsetzung ist nicht einfach und ein Kraftakt für alle Kommunen in ganz Deutschland. Der Dialog mit unseren Bürgern bleibt bedeutend, um tragfähige Lösungen für das Gemeinwohl zu entwickeln.

Haben Sie ein Beispiel wie das funktionieren kann?

Wir wollen innovative Ansätze in die Nutzung von privatem Parkraum einfließen lassen. Hat jemand beispielsweise eine private Garage, die aber nur noch als Abstellraum genutzt wird? Können diese der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden? In unseren Nachbarschaften gibt es viel Quartiersexpertise, die uns wichtige Informationen liefern. Diese wollen wir in unsere Prüfungen einbinden.

Wir haben zu unserer Bürgerbefragung bereits über 500 Rückmeldungen aus der Bevölkerung erhalten und prüfen, welche realistischen Vorschläge in das dynamische Konzept Eingang finden können. Bei den begrenzten freien und öffentlichen Flächen konkurrieren wir zudem mit vielen anderen Nutzungsinteressen: Schulen, Kitas und Wohnraum.Angebote die wir schaffen, müssen auch genutzt werden.

Andere Städte setzen das Urteil bereits radikal um. Ist das auch für Bremer Quartiere ein Weg?

Wir wollen nicht an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vorbei planen. Der gerechte Mobilitätsfrieden innerhalb der Quartiere kann nicht entstehen, wenn Dinge im stillen Kämmerlein entschieden werden. Es hilft auch Niemandem, wenn wir anordnen und keine Alternativen aufzeigen können. Wir versuchen, die unterschiedlichen Bausteine sinnvoll zusammenzufügen, um hohe Akzeptanz zu schaffen.

Welche Rolle spielen Quartiersgaragen in Ihrem Konzept?

Wir prüfen, wo Quartiersgaragen als ein Baustein entstehen können und wie wir sie finanzieren. Sie brauchen Zeit und Geld. Die reinen Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung reichen dafür nicht aus. Der Bau kostet je nach Bauweise zwischen 20.000 und über 50.000 Euro pro Stellplatz. Uns trifft besonders, dass Fördermittel wie die Klimatöpfe weggefallen sind. Wir betreiben aber bereits Akquise in Richtung Bund und EU, um neue Mittel einzuwerben.

Vorrangig für die Quartiersgaragen?

Wir brauchen Geld. Zum Nulltarif können wir das nicht anbieten und unsere eigenen Landesmittel reichen leider nicht aus. Quartiersgaragen bleiben teuer.

Müsste man weitere Anreize zum Verzicht auf den privaten Pkw schaffen?

Wir können Niemandem anordnen, sein zweites Auto aufzugeben. Ich möchte Menschen davon überzeugen, dass es gute Alternativen gibt. Der öffentliche Raum gehört allen. Man muss gemeinsam Empathie entwickeln und die Perspektive wechseln. Ein Wandel muss vorgelebt werden, Verbote lösen einen Reflex von Protest aus. Wir wollen im Sinne des Urteils einen gangbaren Weg für die Mehrheit finden. Dafür muss man miteinander reden. Es ist ein klarer Kulturwandel. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, ich setze aber auch auf die Eigenverantwortung der Menschen. Ohne sie wird es nicht funktionieren. Mobilitätsgerechtigkeit kann man nicht anordnen, sie muss gemeinsam gelebt werden.

Ist absehbar, wann der Vier-Punkte-Plan gänzlich umgesetzt ist?

Wir haben einen Zeitplan. Wir müssen ihn aber pragmatisch gestalten dürfen. Auf der einen Seite gibt es die Erwartung, so schnell wie möglich umzusetzen, auf der anderen Seite haben wir die Lebensrealitäten der Menschen und den Wunsch nach ernsthafter Beteiligung. Der Zeitplan muss so dynamisch wie das Konzept sein, weil wir eventuell auch noch Beteiligungsverfahren oder Auswertungen benötigen. Das ist aber eine Stärke des Prozesses.

Welche Rolle spielt das Anwohnerparken in ihrem Konzept?

Anwohnerparken ist Bestandteil des Konzeptes. Wir schauen sehr genau, wo es möglich ist. Die Grundlagen für das Anwohnerparken sind festgelegt, und wir können sie nicht frei gestalten. Daneben sind aber auch Carsharing und die Neuordnung von Fahrradparkflächen zentrale Bausteine des Konzeptes. Unser Ziel ist es, in den kommenden Jahren spürbare Verbesserungen zu erreichen. In Kürze wird es außerdem eine Website zum Thema Parken geben, um für die Bürgerinnen und Bürger maximal transparent sein zu können.

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