Weser Report: Frau Aulepp, haben die jüngsten Auseinandersetzungen um den Runden Tisch und die Änderung des Kita-Gesetzes zum vorzeitigen Wechsel an der Ressortspitze geführt?
Sascha Karolin Aulepp: Es war mir sehr wichtig mit der Gesetzesänderung eine Grundlage zu schaffen, um mehr Menschen erreichen können, die in den Kitabereich gehen, auch wenn sie noch nicht die höchsten sozialpädagogischen Abschlüsse erreicht haben. Wir können so für mehr Personal und perspektivisch für mehr Fachkräfte sorgen. Ich freue mich, dass das geklappt hat. Mir ist es wichtig, nach vorne zu blicken und sagen zu können: Das bekommen wir nun gut hin. Und das wird Mark Rackles mit seinen entsprechenden Kompetenzen auch gut schaffen.
Ihr Nachfolger kommt aus Berlin – wie wird es mit der Bremer Bildungspolitik nun weitergehen und was kommt auf ihn zu?
Es gibt nach wie vor riesige Herausforderungen. Das betrifft vor allem die Investitionen in Neubauten, Sanierungen und Erweiterungen, aber auch den gesetzlichen Ganztagsanspruch ab 2026. Es ist auch am Runden Tisch Bildung und in Einigkeit von der Handelskammer über die CDU bis zur Linkspartei klar geworden, dass das nicht mit dem laufenden jährlichen Haushalt zu stemmen ist. Dafür müssen andere Lösungen gefunden werden, die nicht zu Lasten des Bildungshaushaltes gehen können. Wir brauchen in der Perspektive mehr Qualität für die Kinder, ganz gewiss keine Verschlechterungen.
Ich finde, Mark Rackles ist ein guter Vorschlag des Bürgermeisters. Er hat in Berlin die organisatorischen und finanziellen Herausforderungen bei Schulbau und Sanierung gut gestemmt. Und er kennt sich auch mit dem Thema soziale Spaltung aus. Wir schauen immer auf Hamburg, aber die soziale Lage in Berlin ähnelt der in Bremen viel mehr. Ich bin sicher, dass Marc Rackles den Ausbau von Kitas und Schulen weiter vorwärts treiben wird. Er bringt frischen Wind und einen vollen Akku mit.
Sie haben direkt vor Ihrer Ankündigung vermeldet, dass es erstmals seit langem genug Kitaplätze gibt – eigentlich ein großer Erfolg. Ist in Bremen eine zufriedenstellende Bildungspolitik überhaupt möglich?
In Bremen gibt es besonders viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die besondere Problemlagen mitbringen. Ihre Interessen zu vertreten, in den Mittelpunkt zu stellen und konsequent für sie Partei zu ergreifen, ist schon anstrengend. Denn diese Kinder haben keine Lobby, brauchen aber besonders viel individuelle Unterstützung, um Schulabschlüsse zu erreichen.
Und ja, da müssen wir dann einfach auch besonders viel Ausgleich schaffen für das, was das Elternhaus nicht leistet – nicht weil die Eltern das nicht wollen, sondern weil es einfach schwieriger ist für bildungsferne Eltern. Deshalb ist es notwendig, auch immer wieder deutlich zu machen: Wir brauchen auch die materiellen Möglichkeiten, um Erfolge zu erzielen. Das haben wir auch so im Schulkonsens parteiübergreifend verabredet.
Sind der Bildungspolitik Grenzen gesetzt, wenn Probleme wie sprachliche Entwicklung oder hoher Medienkonsum im Privaten liegen?
Es ist völlig klar: Kita und Schule können nicht alles richten. Wir können nicht die Gesellschaft umkehren und alles zum Guten wenden. Eltern und Familien haben die Hauptverantwortung und den größten Einfluss auf die Chancen und Entwicklung ihrer Kinder. Die müssen sie auch wahrnehmen, das ist eine Pflicht, aber manche Familien brauchen auch eine besondere Unterstützung. Das können Schule und Kita nur begrenzt leisten. Die Kolleginnen und Kollegen sind mit Herzblut dabei. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und da müssen alle Bereiche gucken: Wie können wir das einbetten? Da wo wir die Möglichkeiten haben, sollten wir das tun, um den Kindern und damit uns allen eine gute Zukunftsperspektive zu geben. Wir müssen die Eltern überzeugen und zur Not auch drängen, die Kinder schon mit drei in die Kita zu bringen. Bildungsarbeit bei Eltern gehört dazu.
Schule ist aber nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft. Man kann nicht erwarten, die Folgen der steigenden sozialen Spaltung mit unseren Bildungseinrichtungen zu überwinden und gleichzeitig sagen, das darf aber nicht mehr kosten. Man kann nicht Erwartungshaltungen haben, die in zwei gegensätzliche Richtungen gehen. Das ist die Quadratur des Kreises.
Ist es nach all der großen Kritik auch ein wenig erleichternd, das Amt nun abzugeben?
Ich dachte, als ich das Amt übernommen habe: ‚Das ist eine riesengroße Aufgabe‘. Im Sommer 2021 haben alle gesagt, die Pandemie läge hinter uns. Das war nicht so und wir haben uns weiterhin gegen die überall geforderten Schul- und Kitaschließungen gewehrt. Wir durften die Kinder und Jugendlichen nicht die Hauptlast tragen lassen – das war schon ein Kampf.
Kinder brauchen eine Lobby, auch heute noch. Dann kam der Krieg gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 und wir hatten einen enormen Zuwachs von Kindern, die zur Kita und zur Schule gehen sollten. Wir brauchten mehr Lehrkräfte und mehr Kitaplätze trotz Personalmangels. Das ging nur mit der Öffnung der Kitas bei den Zweitkräften für Tagespflegepersonen. Da gab es Auseinandersetzungen, auch innerhalb der Koalition, die unter die Gürtellinie gingen. Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Es ist in Ordnung, jetzt den Staffelstab weiterzugeben. Ich habe da ein lachendes und ein weinendes Auge.
Wie geht es für Sie nun weiter?
Ich bin und bleibe ein politischer Mensch und Politik macht man in Bremen nicht nur im Senat. Ich werde natürlich auch weiter diskutieren und weiter mit daran arbeiten, dass sich die bremische Gesellschaft gut entwickelt, und da liegen mir die Perspektiven aller Kinder am Herzen. Gerade die, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren werden, brauchen eine starke Lobby.
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