Fabian kämpft mit seinen Mitschülern darum, dass der Schwerbehindertenausweis künftig Teilhabeausweis heißt. Denn immer wieder schämen sich Besitzer, das Dokument zu zeigen. Foto: Schlie Fabian kämpft mit seinen Mitschülern darum, dass der Schwerbehindertenausweis künftig Teilhabeausweis heißt. Foto: Schlie
Neuer Name gefordert

Schüler schämen sich für Schwerbehindertenausweis

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Mit dem scheckkartengroßen Dokument haben Menschen mit Behinderungen einige Vorteile. Den Schülern der Werkstufe am Schulzentrum Neustadt macht ihr Schwerbehindertenausweis allerdings Sorgen. Sie wollen den Namen ändern.

Wenn Raphael mit Bussen und Bahnen in Bremen unterwegs ist, könnte er eigentlich kostenlos fahren. Das tut er aber nicht immer. „Wenn ich mit meinen Jungs unterwegs bin, kaufe ich ein Ticket“, sagt der 17-Jährige. Der Grund: Er schämt sich für seinen Schwerbehindertenausweis, der ihm die kostenlose Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln erlaubt.

Diese unangenehme Situation kennt auch sein Mitschüler Fabian. „Und dann muss man anderen erklären, warum man einen Schwerbehindertenausweis hat“, sagt er und macht deutlich: Er fühlt sich gar nicht behindert, auch wenn das auf seinem Ausweis steht.

Schüler haben Angst vor Stigmatisierung

„Wer will schon behindert sein?“, sagt Matthias Knapp, Fachkraft für Inklusion am Schulzentrum Neustadt. Ein ehemaliger Schüler habe sogar geleugnet, dass er einen Behindertenausweis hat und auch von Eltern, die sich aus Scham dagegen sträuben, diesen für ihre Kinder zu beantragen, berichten die Lehrer und Schüler.

„Das ist die Angst vor Stigmatisierung“, sagt Lehrerin Karin Kreuser. Dabei bietet der Ausweis den Berechtigten viele notwendige Vorteile. Je nach Art und Grad der Beeinträchtigung dürfen sie kostenlos mit Bussen und Bahnen fahren oder bekommen Hilfen im Alltag. „Mit dem Ausweis kann ich zeigen: Ich brauche Unterstützung“, erklärt Kreuser.

Thema beschäftigt auch den Martinsclub

Die Diskussion um die kleine Karte wird auch beim Martinsclub, der Menschen mit Behinderungen beim Wohnen, in der Schule und in ihrer Freizeit begleitet, geführt. „Das Thema beschäftigt auch unsere Kunden wirklich“, sagt Sprecher Benedikt Heche. „Der Ausweis ist wichtig, aber der Name scheint viele zu treffen.“

„Die Kritik ist schon mehrfach gekommen“, sagt der Bremer Landesbehindertenbeauftragte Dr. Joachim Steinbrück. „Wir haben uns aber bisher schwer getan, einen guten Namen zu finden.“ Den haben jetzt die Schüler aus der Neustadt vorgeschlagen: Teilhabeausweis.

Schüler wollen nicht auf Schwächen reduziert werden

„Warum müssen wir einen Ausweis vorzeigen, der unsere Schwächen beweist?“, schreiben sie in ihrem Informationszettel, mit dem sie jetzt um Unterschriften bitten. Ihr Ziel: Sie wollen ihre Unterschriftenliste nach Berlin schicken und erreichen, dass der Ausweis umbenannt wird – und zwar auf Bundesebene.

„Das finde ich super. Und der Name bringt es auf den Punkt“, sagt Steinbrück. Seine Unterschrift hat er bereits geleistet. „Ich denke, dass die Chancen gar nicht so schlecht sind“, sagt der Landesbehindertenbeauftragte.

Früher hieß das Dokument Schwerbeschädigtenausweis

Schließlich sei das Dokument 1974 schon einmal umbenannt worden. Bis dahin hieß es noch „Schwerbeschädigtenausweis“. Über 40 Jahre später könnte die Initiative der Bremer Schüler die nächste Namensänderung bewirken.

Allein beim zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales sieht man das Anliegen skeptisch. Die Kritik an der Bezeichnung „Schwerbehindertenausweis“ habe es auch schon in der Vergangenheit gegeben.

Damals hätten sich die Beteiligten dafür entschieden, bei dem Namen zu bleiben. „Die Bezeichnung des Ausweises entspricht dem gesetzlich definierten Begriff der Schwerbehinderung und hat sich etabliert“, teilt die stellvertretende Sprecherin Marina Küchen mit. Allein ein Name könne bestehende Vorurteile bei anderen Menschen außerdem nicht beseitigen.

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