Peter Schulze, erster Vorsitzender des verein Freunde des Sendesaales Bremen, spielte als 14-Jähriger selber auf der Bühne des Saales. Foto: Schlie Peter Schulze, Vorsitzender des Vereins Freunde des Sendesaales Bremen, stand als 14-Jähriger selber zum ersten Mal auf der Bühne des Saals. Foto: Schlie
Konzerte

Zehn Jahre nach der Rettung: Feier im Sendesaal

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Vor zehn Jahren retteten die Mitglieder des Vereins Freunde des Sendesaals mithilfe des Investors Klaus Hübotter das Bauwerk vor dem Abriss. Heute lauschen Besucher dort Konzerten mit einzigartiger Akustik.

Stille. Kein Geräusch. Nicht einmal der original Holzboden von 1952 knackt. Das Geheimnis ist die Bauweise des Alten Sendesaals. Das Gebäude ist entkoppelt von der Außenwelt.

„Einen Hubschrauber, der vor dem Regiefenster landet, hören wir drinnen nicht“, erklärt Peter Schulze, der Vorsitzende des Vereins Freunde des Sendesaales. Box in Box – Gebäude im Gebäude – das ist es, was den Saal vor Geräuschen von außen abschirmt.

Luft isoliert

Zwei Gebäude in einem, die sich nicht berühren, nur so kann die absolute Stille entstehen. Schall kann weder hinein noch hinaus. Die Decken und Wände des eigentlichen Saales hängen an 655 Federn der Außenhülle. „Luft isoliert wunderbar gegen Geräusche“, sagt Schulze.

Doch nicht nur das Box-in-Box-Prinzip, sondern auch die Aus- und Einrichtung des Saales sind für die einzigartige Akustik verantwortlich. Keine Wand steht parallel zur anderen. Die Wellen in der Decke tragen den Schall zu den Musikern auf der Bühne zurück, sodass diese sich selber gut hören können. „Der Saal ist sehr clever konstruiert“, erklärt der 72-Jährige.

Alles im Originalzustand

Die Haus-in-Haus-Bauweise sei in den 1930er Jahren in New York beim Bau der Radio City Music Hall eingesetzt worden. „Sie war also für Konzertsäle schon erprobt“, sagt Schulze. Ergänzt wurden die Raffinessen durch den Bremer Architekten Hans Storm, ein Neffe des Dichters Theodor Storm, in Zusammenarbeit mit dem Rundfunktechnischen Institut Nürnberg.

Die Inneneinrichtung ist bis heute im Original erhalten, Boden, Bestuhlung, sogar Lampen und die Wandbespannung. Überhaupt habe Akustik viel mit Intuition zu tun. Der Nachhall im Sendesaal liege bei 1,5 Sekunden, man höre auf allen 270 Plätzen gleich gut, sagt Schulze.

Klingen gelernt

„Jeder Saal muss klingen lernen. Und dieser hat das Klingen so was von gelernt“, schwärmt der ehemalige Musikredakteur.

Dass der Saal bis heute seinen Klang bewahren konnte, hat auch mit der Technik zu tun. So sorgt etwa die Klimaanlage dafür, dass der Boden nicht knackt. „Sie ist nicht zu hören, und die Luft fällt in den Raum hinein. Das Holz muss rund um die Uhr klimatisiert werden“, erklärt Schulze.

Bauweise und Akustik des Sendesaals sind einzigartig. Foto: Schlie

Bauweise und Akustik des Sendesaals sind einzigartig. Foto: Schlie

Weltbekannte Akustik in Bremen

Die Stille und die Akustik sind es, die Künstler aus der ganzen Welt nach Bremen locken. „Die Musiker werden hier beflügelt, gut zu spielen“, ist sich der Vereinsvorsitzende sicher.

Kürzlich gastierte etwa das mehrfach Grammy-ausgezeichnete Boston Early Music Festival in der Hansestadt, um im Sendesaal seine neueste Produktion aufzunehmen. „Sie kommen seit 15 Jahren und bleiben immer zwei Wochen hier. Neben der Produktion geben sie dann auch ein Konzert im Saal“, sagt Schulze.

Finanzierung durch Produktionen

Das sei die typische Arbeitsweise der Künstler, aber auch der Ehrenamtler, die den Betrieb des Sendesaals am Laufen halten. „Wir finanzieren den Betrieb durch die Konzerte und die Produktionen“, sagt Schulze. Auch Radio Bremen miete sich jedes Jahr dort ein.

Er selbst stand ebenfalls schon auf der Bühne des ehemaligen „Studio F“: Als 14-Jähriger spielte Schulze mit seiner Band im Jahr 1961 seine ersten Aufnahmen für eine Fernsehproduktion ein. Losgelassen hat der Saal ihn auch in seinem Berufsleben nicht mehr. Von 1970 bis 2003 war Schulze Musikredakteur bei Radio Bremen.

Rauschfreies UKW

Eröffnet wurde der Radio Bremen Sendesaal an Weihnachten 1952. Zuvor waren die Mittel- und Kurzwelle 1949 von der Ultrakurzwelle (UKW) abgelöst worden. „Endlich war das Radioprogramm rauschfrei“, erinnert sich Schulze.

Das bedeutete aber auch, dass die Aufnahmen empfindlicher für Störgeräusche waren.

Regional versus zentral

Finanziert wurde der Bau des Sendesaals und des Funkhauses damals von den Amerikanern.

„Sie hatten ein anderes Konzept als die Briten. Rund um Bremen herum waren NDR und NWDR als Sendeanstalten ansässig, in Bremen gab es als einzige Alternative Radio Bremen. Die Idee der Amerikaner war regionaler Rundfunk, im Gegensatz zum britischen Konzept mit dem zentralen Rundfunk für ganz Niedersachsen“, erklärt Schulze.

Schluss nach einem halben Jahrhundert

Genau 55 Jahre lang galt der Sendesaal als Radio Bremens bestes Musikstudio. Nach der Zusammenführung von Rundfunk- und Fernsehen in einem Neubau im Faulenquartier zog Radio Bremen 2007 aus dem Sendesaal samt Peripherie aus.

Beides wurde unter Inkaufnahme eines Abrisses veräußert.

Sendesaal erhalten

Die Bürgerinitiative Freunde des Sendesaales setzte sich seit 2002 für den Erhalt ein. Schulze, zuvor Abteilungsleiter Musik bei Radio Bremen, und weitere Redakteure der Musikabteilung handelten und sammelten Unterschriften für den Erhalt des Saals. Mehr als 7.000 Menschen hatten innerhalb weniger Wochen unterschrieben.

„Der Verein wurde ja ursprünglich zu dem Zweck gegründet, den Saal zu retten. Wir haben sieben Jahre lang dafür gekämpft“, erinnert sich Schulze.

Rettung durch Denkmalschutz?

Bereits 2004 sollte das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und damit vor dem Abriss gerettet werden. Auf Verlangen der damaligen Eigentümer wurde dieser laut Schulze jedoch wieder aberkannt.

„Manchmal waren es Tage, Stunden, am Ende sogar Minuten bis zum Abriss“, erzählt Schulze. 2006 war das Gelände an der Bürgermeister-Spitta-Allee tatsächlich verkauft worden, der Abriss aller Gebäude rückte näher.

Ursprüngliche Käufer zogen sich zurück

Nur eine Vertragsklausel, die den Käufern den Rücktritt einräumte, falls bis Februar 2007 keine Abrissgenehmigung vorläge, gab dem Verein noch Hoffnung.

Der dringend gesuchte Investor fand sich schließlich. Klaus Hübotter bot an, das Gelände zu denselben Konditionen zu übernehmen, wie sie für die bisherigen Käufer galten, allerdings wollte Hübotter den Sendesaal erhalten.

Ende 2008 zogen sich die ursprünglichen Investoren zurück. Der Sendesaal wurde 2009 zum denkmalgeschützten Gebäude erklärt.

„Wir wollten erstmal, dass der Saal erhalten bleibt und waren uns gar nicht sicher, ob unser Konzept funktionieren würde“, gibt Schulze zu.

Ein Saal für die Öffentlichkeit

Heute betreibt der Verein neben dem Saal auch ein kleines Wortstudio sowie ein modernes Hörspielstudio.

Die 580 Mitglieder des Vereins entrichten einen Beitrag von 120 Euro im Jahr und bezahlen für die Konzerte nur den halben Preis. „Nur mit Konzerten wäre die Finanzierung schwierig“, sagt Schulze. Die Produktionen brächten die Miete ein. Trotzdem sei es seit Bestehen des Vereins immer klar gewesen, dass der Sendesaal öffentlich sein soll.

Gearbeitet wird im Verein fast ausschließlich ehrenamtlich, nur wenige Mitarbeiter sind angestellt. „Das betrifft auch die Wartung der Technik, zum Beispiel des 28 Jahre alten Analog-Pultes in der Regie. „Es ist eines der ersten, die es gab. Wir hegen und pflegen es und es funktioniert einwandfrei“, sagt Schulze.

Weltklasse Künstler

Zu den Künstlern, die im Sendesaal Konzerte gaben und Aufnahmen produzierten, gehören unter anderem Günther Grass, Otto Sander, der Pianist Keith Jarrett, John Cage, Alfred Brendel und Nikolaus Harnoncourt.

Das Programm für die kommenden Monate weist mehr als 40 Veranstaltungen aus. „Vor allem die Konzerte im Dunkeln erfreuen sich immer größerer Beliebtheit“, sagt der Vereinsvorsitzende. Die Nachfrage steige beim Publikum, aber auch bei den Künstlern.

„Es sind auch immer mehr klassische Musiker, die ein Konzert im Dunkeln spielen wollen“, sagt Schulze und verweist darauf, dass gerade diese ja beim Spielen auch auf Blickkontakt angewiesen sind.

Tag der offenen Tür

Der Sendesaal wurde jüngst bereits zum vierten Mal für sein Programm mit dem von der Staatsministerin für Kultur in Berlin ausgelobten Spielstättenpreis „Applaus“ ausgezeichnet.

Zum 10. Jahrestag der Rettung des Sendesaals findet am 19. Mai ein Tag der offenen Tür mit Kurzkonzerten, Führungen und Überraschungen statt.

Das gesamte Programm für die kommenden Monate gibt es unter sendesaal-bremen.de

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