Was muss sich ändern, damit wir unsere Klimaziele erreichen? Oliver Ressler hat da so einige Ideen. Der Künstler aus Wien beschäftigt sich in seinen Arbeiten intensiv mit der Klimaerwärmung und entwirft gern alternative Zukunftsperspektiven für Infrastrukturen und Standorte in Österreich, die mit fossilen Energieformen und der Produktion von Co2 verbunden sind. Flughäfen beispielsweise, ein Autobahnkreuz oder auch ein Gas- und Dampfkraftwerk. Wie sehen diese Gelände in 50 Jahren aus bei steigenden Temperaturen und was kann man alternativ dort schaffen?
Insgesamt sechs Künstlerinnen und Künstler regen mit ihrer neuen Ausstellung in der Städtischen Galerie Delmenhorst zum Nachdenken an. Die fotografischen Werkserien von Oliver Ressler, Eiko Grimberg, Susanne Keichel, Anton Roland Laub, Eva Leitolf und Julian Röder widmen sich ihrer politischen Umwelt.
„Es geht um aktuelle Themen, um Fragestellungen, die gerade gesellschaftlich wichtig sind“, sagt Galerieleiterin Dr. Matilda Felix. Ihre Idee: Wie kann Kunst dazu beitragen, auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen, und welche historischen Beispiele gibt es? Die fand sie in der Geschichte der USA. In den 1930ern beauftragte die Farm Security Administration (FSA) 22 Fotografinnen und Fotografen damit, die Notlage der Landbevölkerung zu dokumentieren – eine Reaktion auf die umfassenden Wirtschafts- und Sozialreformen von Präsident Roosevelt angesichts der Weltwirtschaftskrise.
Raum für eigene Gedanken
2022 befindet sich Europa in einer krisenhaften Situation, die – durch Klimaerwärmung, Pandemie, Krieg und Migration ausgelöst – eine Zeitenwende oder einen Kipp-Punkt bedeuten kann. In der Ausstellung steht die Bedeutung des Bildes dabei im Vordergrund. „Fotos können eine Rolle bei der Kommunikation spielen oder auch Widerstand auslösen“, so Felix. Reisen und Forschungen bilden die Grundlage der Kunstschau. Alle Beteiligten haben gemeinsam, dass sie seriell mit dem Medium der Fotografie arbeiten, ihr Thema untersuchen, Änderungen verfolgen und gesellschaftliche Entwicklungen visuell übersetzen. Dabei sind es subjektive Bilder und Zusammenhänge, die einen gedanklichen Freiraum eröffnen und zum Nachdenken über die Gesellschaften Europas anregen sollen.
Der Berliner Eiko Grimberg beobachtet seit 2011 den umstrittenen Neubau des Berliner Schlosses. In seiner Werkserie „Rückschaufehler“ inszeniert er Reste der Vorgängerbauten. Dabei entsteht ein Essay, das Fragmente der DDR- und BRD-Geschichte ebenso zeigt wie solche des Nationalsozialismus und des Kaiserreiches.
Versteckte Kirchen
Susanne Keichel aus Dresden beschäftigt sich seit der großen Flüchtlingswelle von 2015 mit dem Thema Migration – vor allem mit den Bildern, die in den Medien zur Migration zirkulieren. Emotionale Einzelszenen stehen neben dem anonymen Strom an Geflüchteten.
Anton Roland Laub wohnt in Berlin, wuchs aber in Bukarest auf. Unter dem Schlagwort „Systematisierung“ wurde in seiner alten Heimatstadt ein Drittel des historischen Zentrums abgerissen, um breite Alleen zu Ehren des Ceausescu-Regimes zu ziehen. Sieben Kirchen blieben verschont und wurden versteckt hinter Wohnhäuser versetzt. In der Serie „Mobile Churches“ zeigt Laub, wie sich Macht in Architekturen ausdrückt.
Die Außengrenzen der Europäischen Union hat Eva Leitolf, die in Bozen und im Chiemgau lebt und arbeitet, unter die Lupe genommen. Sie verbindet Bilder und Texte mit unterschiedlichen Botschaften, alltägliche Landschaften mit zurückliegenden Konflikten. Polizeiakten, Medienberichte, Pressemitteilungen, Recherchen vor Ort und Interviews bilden die Grundlage für ihre Texte.
Julian Röder aus Berlin konzentriert sich auf die exekutive Gewalt. In Serien wie „Mission and Task“ oder „World of Warfare“ setzt er Apparate des Grenzschutzes und den Waffenhandel ins Bild.
Die Ausstellung „it takes time to build – and a second to wreck it“ ist bis zum 6. November in der Städtischen Galerie an der Fischstraße zu sehen.