„Als wir die Räume damals gesehen haben, wussten wir, dass es die richtigen sind und wir sie haben wollen“, erinnert sich Mitbegründerin Wiebke Meenen. Sie und ihre Mitstreiter wollen die Kulturkneipe Kuß Rosa am Buntentorsteinweg retten. Nach fast 17 Jahren könnte dort nämlich Ende des Monats Schluss sein.
Die Immobilie wurde verkauft. Zum neuen Eigentümer der Gastronomie konnte das Kuß Rosa Kollektiv bisher keinen Kontakt herstellen. Die oberen Wohneinheiten haben indes nicht ihre Besitzer gewechselt.
Mündliches Vorkaufsrecht
Dem neuen Eigentümer will das Kollektiv die Gastronomie nun abkaufen, nachdem eine Einigung mit dem vorherigen Eigentümer platzte. „Wir haben ihm direkt gesagt, dass wir das Kuß kaufen wollen, aber etwas Zeit benötigen um Dinge zu klären“, berichtet Janna Rohloff vom Kollektiv.
Zuvor hatten die derzeitigen Pächterinnen dem Team eröffnet, ihren Pachtvertrag aus privaten Gründen nicht weiterführen zu wollen. Dann kam die Nachricht vom Verkauf der Gewerbeeinheit. „Ich wollte keine neuen Mieter und habe mich für den Verkauf entschieden“, sagt Verkäufer Marco Schaefer.
Er habe dem Kollektiv mündlich ein Vorkaufsrecht eingeräumt und gesagt, dass er vor Ende Juni nicht verkaufen werde, weil er sich im Urlaub befinde. So berichten es Meenen und Rohloff.
„Ich wollte es der Gruppe verkaufen, das wäre für mich ja viel einfacher gewesen. Ein Vorkaufsrecht gab es aber nie“, sagt Schaefer. Auch habe er ursprünglich schon Ende Mai den Kauf abschließen wollen, die Frist dann aber auf Ende Juni gelegt. „Weil sich bis Ende Juni aber an der Sache nichts getan hatte, habe ich dann verkauft“, sagt Schaefer.
Mehr als 150.000 Euro gesammelt
Nach der Ankündigung, das Kuß werde verkauft, sammelte dass Kollektiv innerhalb kürzester Zeit mehr als 150.000 Euro Direktkredite, um es selbst kaufen zu können. Außerdem erhielt es die Kreditzusage einer Bank. „Wir haben in keiner Weise den Preis gedrückt und wollten es im Guten kaufen“, berichtet Rohloff.
„Wir waren überwältigt. Ein Stammgast sicherte 10.000 Euro zu, ein anderer 8.000 Euro. Das Geld kommt von Menschen, die das Kuß lieben“, sagt Meenen.
Plötzlicher Verkauf
Dann der Rückschlag: Schaefer verabredete für den 24. Juni einen Notartermin mit einem anderen Interessenten und verkaufte die Gastronomie. „Wir waren geschockt und wundern uns über diesen Verkauf“, sagt Rohloff. Der Umgang mit ihnen sei wenig fair gewesen.
„Uns hatte er vermittelt, keinen Druck zu haben. Wir waren die ganze Zeit offen“, sagt Rohloff.
Keine Zusage erhalten
Schaefer indes sagt, er habe von der Gruppe bis Ende Juni keine Kreditzusage der Bank erhalten, lediglich eine Finanzierungsbestätigung. Deshalb habe er selber mit der Bank telefoniert, die ihm bestätigt habe, dass es keine Finanzierungszusage gäbe.
„Worauf sollte ich dann warten?“ fragt Schaefer. Für das Kollektiv steht fest, dass für die Zusage nur noch interne Vereinbarungen mit der Bank fehlten.
Für Schaefer stellt der Verkauf nun einen Abschuss dar. „Das Objekt ist verkauft und der Kauf wird abgewickelt.“ Der Käufer plane eine reine Gastronomie.
Kontakt zum Käufer gesucht
Die letzte Chance: Einen Kontakt zum neuen Eigentümer herstellen. „Wir wollen ins Gespräch kommen und sehen keine andere Möglichkeit. Er ist noch nicht namentlich auf uns zugekommen“, sagt Rohloff.
An den unbekannten Käufer hat das Kollektiv deshalb einen offenen Brief formuliert. Darin weisen sie darauf hin, welchen Stellenwert das Kuß Rosa in seiner Nachbarschaft hat. „Die Immobilie eignet sich aus verschiedenen Gründen nicht als Spekulationsobjekt“ steht dort und „wir sind noch immer hochmotiviert, den Laden zu übernehmen um ihn zu erhalten.“
Ende Juli könnte Schluss sein
Bis zum Grundbucheintrag bleibt dem Kollektiv nun eigentlich noch Zeit, allerdings könnte das Kuß Rosa bereits Ende Juli geschlossen sein. „Die jetzigen Pächter brauchen auch noch Zeit, um es zu räumen“, sagt Rohloff.
Das Kuß Rosa in einer anderen Immobilie neu zu eröffnen kommt für das Kollektiv nicht in Frage. „Es ist nicht unser Hauptjob, wir sind ein Kollektiv aus Team und Gästen. Wir wollten schon immer als Kollektiv das Kuß Rosa betreiben“, sagt Rohloff. Meenen ist sich sicher: „Den Charme des Kuß Rosa an einen anderen Ort zu tragen wäre sehr schwierig und wir wollen nicht weg aus der Neustadt.“
Auch einen Pachtvertrag mit dem neuen Eigentümer schließen die Sprecherinnen aus. Sie gehen davon aus, dass dieser die Pacht erheblich erhöhen wird. „Das Kuß soll keine Geldmaschine sein, es ist ein Begegnungsort“, stellt Meenen klar.