Der Marktplatz mit der Gedenktafel, die an die Deutsche Teilung erinnert (hinten Mitte). Foto: WR |
25 Jahre ist Deutschland wiedervereinigt. Doch inwieweit hat eigentlich die Hansestadt von der Einheit profitiert? Ist sie ein großer Zugewinn? Und: Ist die Stimmung wirklich so gut, wie in mancher Festrede behauptet wird? Der Weser Report hat im Rathaus und in der Bremer Wirtschaft nachgefragt.
Am 3. Oktober 2015 wird die Deutsche Einheit zum 25. Mal gefeiert. In Frankfurt findet der offizielle Festakt dazu statt, bei dem auch Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) angereist ist. Auf die Frage, ob Bremen von der Wiedervereinigung profitiert hat, antwortet Sieling: „Ganz klar: Deutschland hat von der Wiedervereinigung profitiert – Bremen hat von der Wiedervereinigung profitiert.“ Bereits vor dem Fall der Mauer habe Bremen auf Wandel durch Annäherung gesetzt, eine Städtepartnerschaft mit Rostock in der damaligen DDR abgeschlossen.
„Wir sind und bleiben das kleinste Bundesland“
Carsten Sieling Foto: WR |
„Als weltoffene Hafen-, Handels- und Hansestadt lebt Bremen auch und gerade von seinen Verbindungen mit den Menschen in anderen Städten und Regionen, national und international“, erläutert der Bürgermeister weiter. „Zugegeben: In der alten BRD waren wir von der Ländergröße auf Platz 11 und im wiedervereinigten Deutschland sind wir nun auf Platz 16 – wir sind und bleiben von der Fläche her das kleinste Bundesland.“
Aber das sei eben nur eine Flächenfrage – „an unserer Weltoffenheit und an unseren Handelsbeziehungen ändert das nichts: Wir haben uns zum fünftgrößten Industriestandort in Deutschland entwickelt, unsere Wirtschaft ist stark.“ Sieling betont: „Als Bremerinnen und Bremer schätzen wir Freiheit und Freizügigkeit – denn Ostseeurlaub auf Rügen wäre ohne Wiedervereinigung nur sehr schwer möglich.“
„Die Einheit hat den Strukturwandel befördert“
Auch für Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) ist klar: „Bremen hat von der deutschen Wiedervereinigung massiv wirtschaftlich profitiert.“ Damals sei die wirtschaftliche Situation geprägt von einem massiven Zusammenbruch traditioneller Strukturen. „Der erforderliche Strukturwandel wurde durch die Impulse aus der Deutschen Einheit erheblich befördert.“
Ebenso betont die Handelskammer die Chancen der Einheit: „Als einer der großen deutschen Industriestandorte und als starker Außenhandelsstandort hat Bremen durch den größeren Binnenmarkt zweifellos von der Wiedervereinigung profitiert“, sagt Sprecher Dr. Stefan Offenhäuser. Die Wiedervereinigung habe sich auch positiv auf die wirtschaftlichen Kontakte mit den osteuropäischen Ländern ausgewirkt.
Differenziert sieht der Ökonom Rudolf Hickel die Lage: „25 Jahre nach der deutschen Einigung ist kaum noch abzuschätzen, in welchem Ausmaß Bremen davon ökonomisch mehr profitiert hat oder stärker belastet wurde.“
Die Bremer Wirtschaft lief auch auf Hochtouren
Rudolf Hickel Foto: WR |
Nur bei der Werftindustrie sei klar: Im Container-Schiffbau ist der Bremer Vulkan, der sich im Osten „nicht ganz sauber“ engagierte, abgewickelt worden. Hickel: „Klar ist, in den ersten Jahren des Einigungsbooms lief auch die Bremer Wirtschaft auf Hochtouren.“
Diesen ökonomischen Vorteilen stand in den ersten Jahren viel ehrenamtliches Engagement gegenüber. Auch viele Bremer seien ausgezogen, beim Aufbau Ost aktiv zu sein, so wie er und Heiner Heseler beim Ausbau des maritimen Sektors in Rostock, oder bei der ersten Schlichtung für die ostdeutsche Elektro-und Metallindustrie. Sein Buch „Preis der Einheit“ war auch ins Koreanische übersetzt worden.
Hickel: „Was Willy Brandt genial erhoffte, es ist durchaus auch gelegentlich widersprüchlich zusammengewachsen, was zusammengehört.“ Hickels Empfehlung: Der auch durch Bremen aufgebrachte Soli für die deutsche Einigung habe gewirkt und könne jetzt für die Finanzierung der Flüchtlingsintegration umgewidmet werden.