Bei einem Autounfall kommt Vanessa Arnold (Adina Vetter), Mitbegründerin eines Bremer Startup-Unternehmens, ums Leben. Schnell stellt sich den Kommissaren Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) die Frage, ob es tatsächlich ein Unfall war.
Denn Täter und Motive gäbe es: Schließlich hatte Vanessa Arnold gemeinsam mit drei Freunden viele Jahre in die Entwicklung eines digitalen Assistenten gesteckt. Diese Innovation steht kurz vor der Markteinführung und könnte die Jungunternehmer reich und erfolgreich machen.
Tatort zeigt die Digitalisierung des Lebens
Der neue Bremer Tatort wird im Rahmen der ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ gezeigt. Im vorliegenden 90-Minüter wird der Fokus dabei auf die Digitalisierung des gesamten Lebens gelegt.
Sind wir heute bereits mit computergestützten Sprachassistenten wie „Siri“ auf Smartphone und Rechner vertraut, geht der vorliegende Tatort noch einige Schritte weiter. So programmierten vier Jungunternehmer regelrecht ein digitales Duplikat von Vanessa Arnold, genannt „Nessa“.
90-Minüter wirkt klischeebehaftet und überzogen
So weit, so gut – und nicht unvorstellbar für die Zukunft. Wie Radio Bremen das Thema aber umsetzt, wirkt am Ende eher wie eine Satire denn wie ein Krimi.
Da werden alle landläufigen Klischees des so genannten Computer-Nerds bedient: In den Räumen des Startup-Unternehmens bewegen sich Mitarbeiter mit Kopfhörern auf den Ohren und fast autistischen Zügen über die Flure. Inmitten dieser „Freaks“ werden die Kommissare Lürsen und Stedefreund in überzogener Weise als überfordert dargestellt.
Tochter der Toten zeigt kaum Trauer
Befremdlich wirkt die Figur der Lilly Arnold, der Tochter der Toten. Wenngleich Emilia Pieske eine sehenswerte schauspielerische Leistung abliefert, vermag die Figur offensichtlich kaum Trauer über den Tod der Mutter zu empfinden. Stattdessen fotografiert das Mädchen via Tablet in der Gerichtsmedizin den Leichnam seiner Mutter.
Ach, und dann ist da noch TV-Urgestein Eleonore Weisgerber, die als Doris Osterloh die Großmutter der kleinen Lilly mimt. Ihr hätte man in diesem Tatort mehr Bildschirmpräsenz gewünscht.
BKA-Ermittlerin wie ein Sheldon-Cooper-Abklatsch
Stattdessen taucht eine „alte Bekannte“, die im vorherigen Bremer Tatort eingeführt wurde, wieder auf: BKA-Ermittlerin Linda Selb alias Luise Wolfram. Offenbar nach der Devise „Jeder Tatort braucht seine schrullige Figur“, schlägt dieser Auftritt dem Satire-Fass den Boden aus. Wenn die kauzige BKA-Frau damit kokettiert, für gewöhnlich viel zu versachlicht zu sein, um Ironie verstehen zu können, wirkt das wie ein peinlicher Abklatsch des „Sheldon Cooper“ aus der US-Sitcom „Big Bang Theory“ – zum Fremdschämen.
Man muss sich als Zuschauer dieses Tatorts wundern, warum offenbar keinem der immerhin vier am Drehbuch Beteiligten, von denen mit Claudia Prietzel und Peter Henning auch noch zwei Regie geführt haben, im Zuge der Produktion die Frage kam: „Ist das nicht irgendwie zu affig, was wir hier gerade machen?“ Die richtige Antwort wäre „Ja“ gewesen.
Das ist wohl die Crux: Jeder Tatort muss heute verrückter, spektakulärer, lauter oder gesellschaftskritischer sein als der vom vergangenen Sonntag. Wohin dieser wirre Anspruch führt, zeigt die Folge „Echolot“ am Sonntag, 30. Oktober, um 20.15 Uhr im Ersten.