Die Osterholz-Scharmbecker Journalistin und Autorin Maja Langsdorff schildert in ihrem neuen Buch „Stachlige Passion“ das Wirken von zwölf Igelschutzaktivisten und führt deren oft im Verborgenen geleistetes Engagement damit einer breiten Öffentlichkeit vor Augen. Foto: Möller Die Osterholz-Scharmbecker Journalistin und Autorin Maja Langsdorff schildert in ihrem neuen Buch „Stachlige Passion“ das Wirken von zwölf Igelschutzaktivisten und führt deren oft im Verborgenen geleistetes Engagement damit einer breiten Öffentlichkeit vor Augen. Foto: Möller
Buch über Igelhilfe

„Das Päppeln bleibt meistens Frauensache“

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In ihrem neuen Buch „Stachlige Passion" stellt Maja Langsdorff zwölf Menschen aus der Igelhilfe vor.

„Es war einfach bezaubernd, wie diese kleinen Biester die Milch aus dem Schälchen schlabberten“, so lässt Maja Langsdorff die Igelschützerin Karin Oehl zu Wort kommen. Die 75-Jährige Rheinländerin ist seit 40 Jahren im Igelschutz aktiv, Langsdorff stellt sie in ihrem Buch „Stachlige Passion“ als eine von insgesamt zwölf Aktivisten für den Igelschutz vor.

Es sind Praktiker, die sich meistens lange Jahre als Tierschützer engagieren und Erfahrungen sammeln. Dass die niedlichen Stachelritter von einer Laktose-Unverträglichkeit betroffen sind und man ihnen bloß keine Milch anbieten sollte, erfuhr Karin Oehl viel später: „Ich kann nur hoffen, das die Nahrungsvielfalt, die es früher noch gab, einen Ausgleich geschaffen hat“ – für die falsche Fütterung. Karin Oehl versorgte weiter bis zu 400 stachelige Patienten pro Jahr.

Bernhard Grzimek gab Igelhilfe einen wichtigen Anschub

Ausgangspunkt für ihr Engagement war der legendäre Professor Bernhard Grzimek. In dessen Sendung „Ein Platz für Tiere“ rief er 1971 dazu auf, tierliebe Menschen mögen im Spätherbst „halbverhungerte Spätlinge“ aufnehmen, um ihnen eine Überlebenschance zu geben. Dieser Aufruf des damaligen Direktors des Frankfurter Zoos bekam ein unglaubliches Echo in der Öffentlichkeit und löste eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Es gründeten sich Interessengemeinschaften, der Igelschutz wurde von vielen Menschen aktiv getragen.

Langsdorff beschreibt Menschen aus der ganzen Republik, die sich in besonderem Maße der Hilfe von Igeln verschrieben haben. Oft sind sie jahrzehntelang im Einsatz geblieben, haben hunderte, ja tausende der Stachelritter gepflegt und behandelt. Sie sind heute in einem Alter von 64 bis 84 Jahren alt. So wie ihre Schützlinge, droht auch den Igelstationen das langsame „Aus“. Denn die einst gegründeten Vereine verfügen über immer weniger aktive Mitstreiter. Es ist also gut und notwendig, die Arbeit und den Alltag derer aufzuzeigen, die ihre Liebe zum Wildtier zur Passion werden ließen. Auch als einen Anreiz, Nachfolgen zu finden.

Autorin Langsdorff ist selbst in der Igelhilfe aktiv

Die Osterholz-Scharmbeckerin Langsdorff ist Journalistin und Autorin und sie kümmert sich auch selbst um stachelige Fundtiere. Ihre professionelle Technik, Menschen zu Wort kommen zu lassen, kann sie gut mit ihrem eigenen Erfahrungsschatz als Tierschützerin verbinden. Langsdorff weiß von der Bedrohung des Igels in einer Zivilisation, die dem Wildtier immer stärker den Lebensraum und seine Nahrungsquellen streitig macht. Elf Frauen und einen Mann hat sie für ihr Buch interviewt. Für die Illustration konnte sie auf Fotografien zurückgreifen, die ihr Ehemann Peter aufgenommen hat.

„Es sind fast immer Frauen, die Tiere nicht leiden sehen können und sich auch pflegerisch einsetzen“, sagt Langsdorff. Ihre Männer ständen aber im Hintergrund bereit, sie basteln Igelboxen oder leisten Fahrdienste. Eine Igelstation zu betreiben, bedeutet weitaus mehr, als niedliche Stachelkugeln aufzunehmen und zu päppeln.

Jedes Jahr bis zu 100 Igel gepflegt

Langsdorff hat der in Eisenach lebenden Ingrid Röschke zugehört: Die ehemalige Lehrerin, Jahrgang 1945, ist in ihrer Nachbarschaft bekannt, wie ein bunter Hund, jeder weiß, wo er mit einem aufgefundenen Igel bleiben kann. Sie liebt Tiere, sie lebt für sie und hilft jedes Jahr etwa 100 Igeln, den Winter zu überstehen.

Die allermeisten Schützlinge kommen in einem Zustand zu den Igelpflegern, der schlecht, erbärmlich, bisweilen fast hoffnungslos ist: voller Zecken und Flöhe, hustend, innerlich verwurmt. Sie haben offene, blutige und eitrige Wunden,aus denen manchmal schon Fliegenmaden herauskriechen. Sie sind bis auf Haut und Knochen abgemagert oder haben kahle Stellen im Stachelkleid – eine Folge von Hauterkrankungen oder Mangelernährung. Sie werden aufgesammelt als verwaiste federleichte Säuglinge, deren Mutter totgefahren wurde, durch Gifte im Garten umkam oder motorbetriebenen Gartengeräten zum Opfer fiel. Fast immer gilt es schnell zu handeln, was eine hohe Kompetenz voraussetzt. Und nicht selten werden die Tiere immer dann abgegeben, wenn ohnehin kein Tierarzt mehr Sprechstunde hat, zum Beispiel spätabends oder an Feiertagen.

Knapp 160 Seiten über Aktive im Igelschutz

Die „Stachlige Passion“ dokumentiert mit ihren Geschichten über die Personen, die den Igelschutz verkörpern auch ein Stück Igelschutz-Geschichte und zeigt auf, welch unbezahlbare – und unbezahlte – Aufbauarbeit diese hochengagierten Menschen geleistet haben.
Das Buch erschien als Band 9 der Reihe Igelwissen des bundesweit tätigen Vereins Pro Igel und kostet 17,50 Euro.

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