Lichtsmog stört die Finsternis und ganze Ökosysteme. Dieser macht auch uns Menschen krank. Foto: Boris Štromar, Pixabay
Wildtieren helfen

Tödlicher Verlust der Nacht

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Künstliches Licht schadet der Natur. Licht als gefährliche Umweltverschmutzung.

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Der dunkelste Ort Deutschlands liegt etwa 90 Kilometer westlich von Berlin und heißt Gülpe. Von hier kann man den Himmel beobachten wie sonst nirgends in Deutschland. Die Milchstraße ist dort mit bloßem Auge sichtbar. Gülpe gehört zum Naturpark Westhavelland, der seit sieben Jahren ein sogenannter Sternenpark ist. Dies ist eine besondere Art eines Landschaftsschutzgebietes, nämlich ein Lichtschutzgebiet, ein „dark sky place“. Die nächtliche Dunkelheit ist in solchen Gebieten ein Schutzgut und wird sogar vor ganz geringer Lichtverschmutzung geschützt.

Lichtverschmutzung ist Umweltverschmutzung

Lichtverschmutzung ist die dauernde Abwesenheit völliger Dunkelheit. Es ist eine spezielle Form der Umweltverschmutzung.  „Ein solcher Lichtsmog ist keine Frage der Romantik, sondern ein schwer wiegendes Umweltproblem, denn Licht nimmt Einfluss auf die Physiologie von Mensch, Tier und Pflanze“, erklärt die erfahrene Tierärztin Dr. Alexandra Dörnath, die die Tierarztpraxis Klein Mexiko für Zoo-, Zirkus- und Wildtiere sowie exotische Heimtiere und das Exoten-Kompetenz-
Zentrum leitet. Künstliche Beleuchtung sei für Lebewesen nicht einfach nur eine Störung, sondern für viele Organismen lebensgefährlich. Mond und Sterne seien die
natürlichen Orientierungspunkte für die Lebewesen unseres Planeten. Künstliches Licht hingegen könne Tier, Pflanze und auch den Menschen gehörig durcheinanderbringen. Insbesondere im Herbst streuten Nebeltröpfchen das Licht wie Aerosole in alle Richtungen.

Das Massensterben der Insekten

Früher konnte man häufig dichte Insektenschwärme an Straßenlaternen sehen. Heute sind dies aufgrund des Massensterbens der Insekten deutlich weniger. „Das Licht zieht aber immer noch viele Sechsbeiner an, die um die Lichtquelle surren statt nach Futter zu suchen, dort dann durch Ermüdung sterben oder verbrennen“, konstatiert die Tierärztin. Die ganze Nahrungskette gerate damit durcheinander. „Tiere, die sich von Insekten ernähren, finden nämlich kaum noch Nahrung“, betont
Dörnath betrübt.

Leuchtkäfer („Glühwürmchen“) senden Leuchtsignale aus, damit die Tiere zur Paarung zusammenfinden. Diese natürliche Biolumineszenz („Lockleuchten“) wird durch stärkere künstliche Lichtquellen überstrahlt mit der Folge, dass die Partner nicht zusammenfinden. Foto: Kiwi Chen, Pixabay

Auch Wirbeltiere und Bäume leiden unter Kunstlicht

Doch nicht nur Insekten, auch Wirbeltiere und sogar Bäume leiden unter dem Kunstlicht. So würden gerade Vögel, Insekten und Fledermäuse insbesondere durch
nach oben gerichtete Lichtstrahlen irritiert. „Vögel verwechseln das künstliche Licht mit der Dämmerung und fangen zu früh an zu singen oder zwitschern die ganze Nacht hindurch. Auch die sich mittels Echolots orientierenden Fledermäuse werden durch Kunstlicht irritiert, denn ihre kleinen Augen sind besonders lichtempfindlich. Und Bäume in der Stadt werfen ihre Blätter oft gar nicht ab, was ein Problem ist, denn der Laubabwurf soll den Baum ja vor Frostschäden schützen.“

Meeresschildkröten suchen das Meer

Auch an Stränden führt künstliches Licht zu Tierleid: Schlüpflinge von Meeresschildkröten würden aufgrund des nächtlichen Lichtes von Hotelanlagen in die entgegengesetzte Richtung geleitet. Sie liefen nicht ins Meer, sondern in die Richtung der künstlichen Lichtquellen. Dörnath habe einmal in einem Artenschutzprojekt
in Australien gearbeitet, in dem die Schlüpflinge der Meeresschildkröten auf ihrem Weg ins Meer begleitet wurden. „Natürlich lauern im Meer weitere Gefahren für sie, aber so wurde erst einmal sicher gestellt, dass die kleinen Schildkröten überhaupt ihren Weg ins Meer fanden“, so Dörnath.

Das Kunstlicht stört die Ökosysteme

„Nicht nur Lichter der Hotels stören die Finsternis und damit Ökosysteme. Auch Lichter in privaten Gärten durch von der Dämmerung bis zum Morgengrauen brennende Lichterketten oder Solarlampen sind keine Dekoration, sondern eine zunehmende und völlig unnötige Umweltverschmutzung“, betont
Dörnath. Abhilfe für die Not der Tiere sei tatsächlich ganz einfach: „Alles, was nachts sinnlos leuchtet, muss abgestellt werden. So schützt man die Umwelt, spart Strom und somit Geld“, appelliert Dörnath. „Selbst Jogger können Wildtiere mit lichtstarken Lampen aus dem Konzept bringen“, fügt sie ohne Verständnis für diesen Umweltfrevel hinzu.

Dr. Alexandra Dörnath aus der Tierarztpraxis Klein-Mexiko Foto: Bollmann

■ Falls Ihnen ein Thema rund um einheimische Wildtiere und auch Exoten unter den Nägeln brennt, schreiben Sie uns einfach unter martin.bollmann@weserreport.de eine Mail. (mb)

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