Der Angeklagte Autofahrer, der den Jungen schwer verletzt und liegen gelassen haben soll im Gerichtssaal. Foto: Niemann Der angeklagte Autofahrer, der den Jungen schwer verletzt und liegen gelassen haben soll, im Gerichtssaal. Foto: Niemann
Nach Unfall

Staatsanwaltschaft wirft versuchten Totschlag vor

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Die Staatsanwaltschaft wirft dem 27-Jährigen, der im Juni einen Schüler angefahren, schwer verletzt und anschließend einfach liegengelassen haben soll, versuchten Totschlag vor. Der mutmaßliche Täter schweigt.

„Es ist ungewöhnlich, dass bei einem Verkehrsunfall eine Anklage wegen eines versuchten Tötungsdelikts nachfolgt“, sagte Manfred Kelle, vorsitzender Richter, bei der Eröffnung der Hauptverhandlung gegen einen 27-jährigen Bremer. In der Regel liege bei Verkehrsunfällen fahrlässiges Verhalten vor.

Dem mutmaßlichen Täter wird vorgeworfen, am 10. Juni einen folgenschweren Unfall an der Kreuzung Julius-Brecht-Allee / Konrad-Adenauer-Allee verursacht zu haben. 

Angeklagter soll nach Unfall die Flucht ergriffen haben

Ein Autofahrer hatte damals an der Ampel, die Rot zeigte, die wartenden Autos überholt und war auf der Linksabbiegerspur an ihnen vorbeigezogen. Trotz Rotlichts war er in den Kreuzungsbereich gefahren und hatte dabei den 13-Jährigen erfasst, der durch die Luft geschleudert wurde. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war der dabei mit 40 bis 50 Stundenkilometern unterwegs. 

Nach dem Unfall soll der Fahrer ausgestiegen und zum Jungen gegangen sein, dann aber – ohne Hilfe zu holen – die Flucht ergriffen haben.

Junge erlitt lebensgefährliche Körperverletzungen

Der Junge erlitt lebensgefährliche Kopfverletzungen. Unter anderem musste ihm bei einer Notoperation ein Stück des Schädels entnommen werden, um die große Blutung im Schädelinneren ausräumen zu können.

Nach seinem Aufenthalt im Klinikum Bremen-Mitte wurde der Junge bis September im Neurologischen Rehabilitationszentrum Friedehorst behandelt und befindet sich jetzt in ambulanter Behandlung.

Mutter war beim Verhandlungsauftakt dabei

Gemessen an der Schwere der Verletzungen habe sich sein Mandant gut erholt, sagte Rechtsanwalt Felix Deutscher. „Ob Schäden zurückbleiben, muss die Zukunft zeigen.“

Deutscher vertritt die Familie des Unfallopfers. An seiner Seite saß beim Verhandlungsauftakt die Mutter des verunglückten Jungen. Ihr war die Anspannung deutlich anzumerken. Schon vor Verhandlungsbeginn kämpfte sie mit den Tränen.

Die Staatsanwaltschaft hat am Dienstag zunächst die Anklageschrift verlesen. Den Unfall und die anschließende Fahrerflucht bewertet sie als zwei rechtlich selbständige Sachverhalte.

Staatswanwaltschaft wirft versuchten Totschlag vor

Sie wirft dem Angeklagten unter anderem versuchten Totschlag vor, geht also davon aus, dass der 27-Jährige mit bedingtem Vorsatz handelte. In der Nähe der Kreuzung sei eine Oberschule und der Straßenbereich deshalb zur Tatzeit gegen 12.30 Uhr besonders von Schülern genutzt gewesen.

Das hätte der Angeklagte wissen müssen. Dass er mit seiner Fahrweise einen anderen Verkehrsteilnehmer töten könnte, habe er billigend in Kauf genommen.

Verteidiger beantragte Einstellung

„Das ist eine innere Haltung, die wir im Verfahren prüfen müssen“, sagte Richter Kelle. Das Gericht habe aber schon vor der Eröffnung der Hauptverhandlung geprüft, ob es die Anklage wegen eines Tötungsdelikts zulassen kann. Die Aktenlage lege das aber nahe, so Kelle.

Der Rechtsanwalt des Angeklagten beantragte am ersten Sitzungstag, das Verfahren einzustellen. Der Eröffnungsbeschluss ist seiner Meinung nach nicht ausreichend begründet. „Worauf die Anklage ihren Tötungsvorsatz stützt, lässt sich nur erahnen“, sagte er.

Angeklagter schweigt

Ohne Angaben des mutmaßlichen Täters muss die Staatsanwaltschaft ihre Beweisführung tatsächlich auf äußere Umstände stützen. Am ersten Verhandlungstag jedenfalls schwieg der Angeklagte – obwohl der Richter ihm eine Aussage nahelegte.

„Falls Sie der Fahrer waren, wäre es naheliegend, aus ihrer Sicht zu schildern, was passiert ist“, so Kelle. Das könne dem Gericht helfen, die Umstände zu verstehen.

Darum, zu verstehen, was überhaupt am 10. Juni genau passiert ist, gehe es auch der Mutter des Jungen, so Anwalt Deutscher. „Die Mutter hat schließlich große Ängste um das Leben ihres Sohnes durchleben müssen.“

Verhandlung wird Freitag forgesetzt

Dass der mutmaßliche Täter zu den Vorwürfen schweigt, müsse man hinnehmen. „Das ist sein gutes Recht. Wenn er wirklich der Fahrer war, lässt er sich aber eventuell eine Chance entgehen.“

Seit dem 15. Juni befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft. Die Verhandlung wird am Freitag, 25. November, 9 Uhr, am Landgericht fortgeführt. Dann sollen Zeugen zu Wort kommen, die den Unfall beobachtet haben.

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