Mit einer zusätzlichen Strafkammer will das Landgericht weitere ungewollte Haftentlassungen vermeiden. Foto: WR Das Landgericht Bremen hat heute den Raser verurteilt, der im vergangenen Jahr einen Jungen lebensgefährlich verletzte. Bild: WR
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Urteil gegen den Bremer Fahrerflucht-Raser gefallen

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Das Bremer Landgericht hat den 28-Jährigen verurteilt, der im vergangenen Jahr einen Schüler an der Konrad-Adenauer-Allee angefahren und lebensgefährlich verletzt hat. Einen bedingten Vorsatz sahen die Richter nicht.

Ruhig und gefasst saß der 28-jährige Angeklagte im Gerichtssaal, fast so, als hätte er sich mit der Situation längst abgefunden und erwarte keine neuen Ergebnisse. „Es war ein außergewöhnliches Verfahren“, sagte Richter Manfred Kelle. Das Gericht musste klären, ob der Autofahrer bei seinem riskanten Fahrmanöver den Tod eines Menschen billigend in Kauf genommen hat. Dann hätte ihm eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags gedroht.

Der Fall sorgte in Bremen für großes Aufsehen: Ende Juni des vergangenen Jahres hatte der Täter mehrere wartende Fahrzeuge auf der Linksabbiegerspur überholt. Dann raste er, trotz einer roten Ampel etwa mit Tempo 50 über die Kreuzung Julius-Brecht-Allee/Konrad-Adenauer-Allee und erfasste einen querenden Fahrradfahrer. Der 13 Jahre alte Junge wurde dabei lebensgefährlich verletzt, der Täter beging Fahrerflucht.

Kein Motiv für einen Mord

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Angeklagte den Tod eines Menschen durch sein Handeln nicht für möglich gehalten hatte. Dafür spreche unter anderem, dass er nach dem Unfall ausgestiegen und zum Opfer hingelaufen sei. „Er zeigte sich an der Unfallstelle erschrocken“, erläuterte der Richter. Erst nachdem der Täter von Helfern, die sich bereits um den Jungen kümmerten, angesprochen und beschimpft wurde, sei er in Panik geraten und habe die Flucht ergriffen.

Weiterhin konnte das Gericht mildernd berücksichtigen, dass der 28-Jährige in den vergangenen Wochen ein Geständnis abgelegt hatte. „Das hat ein neues Licht auf die Verhandlung geworfen“, so Kelle. Der Angeklagte habe sich schon zu einem früheren Zeitpunkt äußern wollen, sein ehemaliger Anwalt hatte ihm jedoch davon abgeraten. Durch das Geständnis konnte zweifelsfrei belegt werden, dass er tatsächlich Fahrer des Wagens war. 

Zeugen bestätigen: Täter überquerte die Ampel bei Rot

Allerdings deckte sich die vom Täter geschilderte Version des Unfalls nicht mit den Aussagen der Zeugen: Der 27-Jährige gab an, erst nach dem Umschalten der Ampel in die Kreuzung gefahren zu sein. Mehrere Zeugenaussagen widerlegten dies. „Es gibt kein Beweismittel, das deutlich die Version des Angeklagten unterstützt“, stellte der Richter klar. „Die Kammer hat letztendlich keine Zweifel, dass der Angeklagte die Haltelinie bei Rot überquert hat.“

Das Unfallopfer sei hingegen korrekt bei Grün auf die Straße gegangen. Der 13-Jährige erhole sich noch immer von seinen Verletzungen und leide unter Sensibilitätsstörungen in den Beinen, Ängsten und Albträumen. Spätfolgen können nicht ausgeschlossen werden. „Er nimmt aber inzwischen wieder am Unterricht teil“, so Kelle.

Angeklagter bietet Schmerzensgeld an

Um dem Jungen die Angst zu nehmen und ihm zu versichern, dass er keine Gefahr mehr für ihn darstelle, bot der Unfallfahrer dem Kind ein persönliches Gespräch an. Er hatte sich bereits bei der Familie und dem Opfer entschuldigt, stellte außerdem Schmerzensgeld in Höhe von 3000 Euro bereit. „Das Erleben wir in dieser Weise auch nicht so oft hier im Gericht“, sagte Manfred Kelle.

Der Richter kritisierte aber auch das Verhalten des 28-Jährigen. Er habe ein „sehr kaltschnäuziges Verhalten an den Tag gelegt“, indem er den Unfallwagen sofort verschwinden lassen wollte. An einem Prozesstag beschimpfte er außerdem auf die Familie des Opfers, stellte sich als unschuldig angeklagt dar.

„Es hätte auch anders ausgehen können“

Durch die Ergebnisse der Verhandlungstage ging das Gericht abschließend davon aus, dass der damals 27-Jährige nicht ernsthaft einen Verkehrsunfall erwartete oder den Tod eines Menschen in Kauf nahm. Es sei zumindest nicht auszuschließen, dass der Täter wegen eines Irrtums, den das Gericht aber nicht benennen konnte, bei Rot in die Kreuzung eingefahren war.

„Dieses Ergebnis nehmen ich und mein Mandat erfreut zur Kenntnis“, sagt Temba Hoch, der neue Anwalt des Angeklagten. „Es war von eminenter Bedeutung, diesen Vorwurf zu entkräftigen. Das ist uns auch gelungen, es hätte aber auch anders ausgehen können.“

Die Familie des Unfallopfers war erleichtert, dass der Angeklagte die Verantwortung für seine Tat übernommen hat. Die Familie des verunglückten Junges sei froh, dass der Prozess jetzt erst einmal zu Ende ist, sagte deren Anwalt Felix Deutscher.

Die Haftstrafe fiel aufgrund der genannten Umstände vergleichsweise gering aus: Zwei Jahre und zehn Monate muss der Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung ins Gefängnis. Außerdem wird ihm die Fahrerlaubnis entzogen und er kann für drei Jahre keinen neuen Führerschein beantragen.

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